Im Fahr I © 2018 Werlen, Martin
Pater Martin Werlen

Im Fahr

«Wir sollten nicht in Zahlen denken, sondern in Menschen!» Das lernte ich vom Bankier Hans Vontobel (1916-2016). Das gilt nicht nur für die Wirtschaft – das gilt auch für die Kirche. Wie wichtig diese Einsicht ist, zeigt die selbstverständliche Beurteilung von Ordensgemeinschaften aufgrund von Zahlen. Aber: Die Zahl der Mitglieder einer Ordensgemeinschaft sagt an sich gar nichts aus über ihre Glaubwürdigkeit. Auch der Altersdurchschnitt einer Gemeinschaft sagt an sich gar nichts aus über ihre Glaubwürdigkeit.

Ich kenne viele Ordensgemeinschaften – Männer- und Frauengemeinschaften. Es gibt keine, bei der ich mir so wenig Sorgen um die Zukunft mache, wie bei den Frauen, die im Kloster Fahr das Leben lieben. Warum? Die Antwort darauf finden wir im neuen Buch «Im Fahr», in dem die Klosterfrauen aus ihrem Leben erzählen.

Wer die Gemeinschaft im Kloster Fahr aus eigener Erfahrung kennt, wird derselben Gemeinschaft im Buch begegnen. Die Schwestern bringen ihre Berufung, ihr Ringen und ihr Suchen, ihre Freude und ihre Hoffnung, ihre Ängste und Enttäuschungen zur Sprache. Oder einfacher gesagt: Sie bringen ihr Leben zur Sprache und ins Bild. Die Leserin und der Leser begegnen dem Leben in seiner Vielfalt, wie es in der Haltung des Glaubens gestaltet und getragen wird. Da ist nichts beschönigt. Es wird nicht so getan, als ob alles in Ordnung sei. Die Bilder sind nicht gestellt. Probleme werden thematisiert und angegangen. Da kommt auch zur Sprache, worüber in anderen Gemeinschaften nicht gesprochen wird. Warum es so überzeugend rüberkommt? Weil es nie darum geht, sich selbst in den Vordergrund zu stellen. Es ist ein schlichtes, aufrichtiges Teilen der eigenen Glaubenserfahrungen.

Die Gemeinschaft im Kloster Fahr: Ausgeprägte Persönlichkeiten sind miteinander überzeugend auf dem Weg. Das wird bei der Lektüre ansteckend erfahrbar. «Im Fahr» ist nicht nur ein Buch für den Menschen, der das Leben liebt, sondern auch für den Menschen, der das Leben lieben möchte. Die Authentizität überzeugt. Sie wurde von der Autorin und vom Fotografen gekonnt aufgenommen. Die im Kloster erfahrene Authentizität war für sie wohl auch der Auslöser zu diesem beeindruckenden Wagnis.

In einem gut verständlichen kurzen Artikel wird die Geschichte des Klosters vorgestellt. Klösterliche Begriffe werden im Glossar erklärt.

Das Buch ist eine prophetische Botschaft benediktinischen Lebens, wie sie auf diese Weise wohl noch nie erklungen ist. Ich muss gestehen, dass ich keine andere Gemeinschaft kenne, die ein solches Wagnis eingehen würde. Von den Frauen im Fahr können auch wir Männer in Einsiedeln viel lernen.

 

Susann Bosshard-Kälin, Im Fahr. Die Klosterfrauen erzählen aus ihrem Leben. Verlag Hier und Jetzt. Baden 2018.

Im Fahr I © 2018 Werlen, Martin
6. Dezember 2018 | 16:14
von Pater Martin Werlen
Lesezeit: ca. 2 Min.
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