Mein Schreibtisch am 8. November
George Francis Xavier

«Ich staune über diese Wahl … und du?»

Fast 170 Tage Unterhaltung sind vorbei. Ich sitze an meinem Schreibtisch und weiss nicht wohin nach all diesen lustigen und sarkastischen Äusserungen, der Schlammwerferei, usw. Danke an Trump und Clinton, wir hatten eine ‹wunderbare’ und ‹furchtbare’ Unterhaltung. Ich fragte mich sogar, ob die beiden für die US-Präsidentschaftswahl oder eine Gemeindewahl in ‹Indien’ antreten. (I miss you guys, Obama und Romney, für die wunderbaren Debatten im Jahr 2012.)

 

«Ich staune über diese Wahl … und du?» Dies ist die Message, die ich heute Morgen von fast all meinen Freunden bekommen habe. Aber ich weiss, ich war nicht überrascht von diesem Ergebnis. Als Teil eines Referats an der Universität musste ich mich mit den positiven und negativen Seiten der beiden Kandidaten befassen. Es war zunächst leicht zu sagen, dass Hillary die bessere Kandidatin ist, dies bevor ich einige wissenschaftliche Texte über Wahlverhalten und Wahlkommunikation gelesen hatte. Basierend auf den Charaktermerkmalen der Kandidaten, an denen die Wähler laut wissenschaftlicher Literatur interessiert sind, überraschten mich dann allerdings meine Ergebnisse. Es gibt einige Merkmale, an denen die Wähler grundsätzlich und im historischen Rückblick der letzten 35 Jahre interessiert sind. Darauf basierend habe ich die positiven und negativen Seiten der beiden Kandidaten notiert. Ich habe festgestellt, dass Hillary mehr negative «Punkte» bekam, die sich gegen eine Stimme für sie auswirken könnten. Danach kam ich zum Schluss, dass Trump gewinnen wird. Die Botschaft nach dieser Auflistung lautete, dass die Wähler Hillary nicht wählen würden.

Mein Schreibtisch am 8. November | © 2016 GFX Mein Schreibtisch am 8. November | © 2016 GFX

Nicht zu meiner Überraschung sagten mir alle meine Freunde und Verwandten dass ich verrückt bin. Ich versuchte zu erklären, dass ich nicht für eine Wahl Trumps bin, dass er aber gewinnen werde. Ich lernte aus den Reaktionen, dass es leicht ist, eine liberale Sichtweise oder eine Unterstützung für Liberale auszudrücken oder für sie zu sprechen. Aber wie gesagt, ich war nie persönlich beeindruckt von Trumps Kommentaren und der Art und Weise, wie er Hillary ‹crooked’ und eine ‹nasty woman’ nannte. Das änderte aber nichts daran, dass ich nun immer noch davon ausging, dass er gewinnen würde.

 

Some takeaways.

 

  • Hillarys politisches Leben war der Öffentlichkeit sehr bekannt und es wurde für die Wähler einfach, sie basierend auf ihrer politischen Vorgeschichte zu bewerten. Trump war ein politischer Anfänger und die meiste Kritik gegen ihn bezog sich auf seinen Charakter und seine Geschäfte. Die Leute kannten Trump nicht so gut wie Hillary.
  • Trump ist kein Konservativer, sondern ein Nationalist. Aufgrund der Tatsache, dass der Nationalismus einen schlechten Ruf hatte, schwiegen die nationalistischen Anhänger und drückten sich niemals offen, sondern nur in der wirklichen Abstimmung (Ballot box) aus. So konnten die Medien ihre Stärke nicht zählen oder berechnen.
  • Immer wenn Hillary Trumps Persönlichkeit angegriffen hat, konnte er den Ball wieder auf ihren Spielplatz zurückwerfen durch die Themen, die die einfachen Leute interessierten. Sogar als die ganzen bekannten Medien sagten, dass Trump alle drei Debatten verloren hatte, begannen die einfachen Leute das zu vergessen, was er über Hillary (nasty woman, crooked lady, lock her up, usw.) geäussert hatte. Er aber hielt an den Problemen fest, die er gegen sie angesprochen hatte.
  • Die Menschen haben Angst vor Konflikten. Hillarys Vorgeschichte als Aussenministerin im Kabinett von Obama, bzw. die Probleme im Nahen Osten und ihre Äusserungen über Putin, flösste den Menschen Angst ein. Sie befürchteten globale Konflikte. Die Anklage Hillarys, dass Trump und Putin Freunde seien, half Trump Stimmen von allen zu bekommen, welche friedliche Lösungen Konflikten vorziehen.
  • Politiker müssen lernen, dass die Wähler nicht immer glücklich sind mit Globalisierung und Liberalisierung. Die Leute stimmten in der jüngeren Vergangenheit wiederholt dagegen. Siehe auch die Beispiele in Europa, z.B. der Brexit. Politiker denken sehr viel anders als das gewöhnliche Volk. (Eine Lektion für Merkel).

 

Medien präsentieren, was sie wollen, nicht zwingend die Realität. Die Medien führten die Menschen zum Glauben, dass Hillary unter allen Umständen gewinnen wird. Einer der besten amerikanischen Statistiker, Wahlforscher und Wahlergebnis-Prognostiker in der jüngsten Geschichte, Nate Silver, lag diesmal falsch. Das könnte bedeuten, dass die Leute die für Trump gestimmt haben, nicht an Umfragen teilgenommen haben. Vielleicht waren sie sehr gewöhnliche konservative Nationalisten, die keinen Zugang zum Internet hatten und auch gar nicht an der Globalisierung interessiert waren. Diejenigen die an Umfragen teilgenommen haben, waren hingegen die mehr oder weniger gebildeten Personen.

 

Ich unterstütze keinen Krieg. Ich unterstütze keine Partei in einem Krieg. Aber ich sehe, dass die Medien den Geist der Menschen in einer Weise manipuliert haben, um nur eine Gruppe in einem Konflikt zu unterstützen. Sie machen die Menschen dadurch parteiisch. Wichtige Medien betonen, dass die Russen und die syrische Armee den Waffenstillstand in Syrien zerbrachen. Aber warum konnten sie nicht die Verbindung ziehen zu der Tötung von 62 syrischen Soldaten und 100 Verwundeten bei einem amerikanischen Luftangriff am Vortag. Es wurde viel berichtet, auch in der UNO, über die Tötung von 20 UN-Hilfskräften am darauf folgenden Tag. Beide Gewaltakte sind falsch. Beide sind furchtbar und tragisch. Aber wenn wir das analysieren und nur einen Vorfall betrachten und die Schuld nur einer Gruppe geben, um eine Gruppe zu rechtfertigen und zu unterstützen, dann ist das ein Hinweis darauf, dass unser Verstand langsam verdorben wird.

 

Die gleiche Haltung wurde bei den wichtigen medialen Prognosen der Wahlergebnisse gesehen. Sogar Fox News, bekannt für seine Unterstützung der Republikaner, sagten einen Sieg von Hillary voraus. Wir, normale Menschen, wurden zu der Annahme geführt, die Annahmen einiger Menschen als Realität zu glauben. Aber die Realität überraschte schliesslich alle. Ich hingegen erwartete diese Überraschung… basierend auf einer nüchternen, möglichst unwertenden Analyse.

Mein Schreibtisch am 8. November | © 2016 GFX
9. November 2016 | 18:00
von George Francis Xavier
Lesezeit: ca. 4 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!