Wenn Ihnen 100 Franken (oder mehr) geschenkt würden? © Walter Ludin
Walter Ludin

Geschenktes Geld

Möchten Sie von Ihrer Gemeinde 100 Franken bekommen; oder vielleicht sogar 500? Einfach so? Nein, nicht ganz. Sie müssten den Gutschein in den Geschäften am Ort einlösen, als kleine Kompensation für den Schaden, den der böse Virus angerichtet hat.

So bezaubernd die Idee auf den ersten Blick ist, gibt’s doch gewaltige Widerstände. Manche sprechen von einem sinnlosen «Giesskannen-Prinzip». Man kann es auch so sehen. Anyway, oder auf gut Berndeutsch: Mer wey ned gröble.

Doch eines ist sicher: Die Sichtweise, die ein reichlich mit irdischen Gütern eingedeckter Mensch in seinem Leserbrief in einer Innerschweizer Zeitung äussert, ist nicht gerade einfühlsam. Er bekäme von seiner Gemeinde, eine der reichsten der Region, 500 Franken. Und nimmt das «sozialistische» Giesskannen-Prinz auf die Hörner, indem er sarkastisch schreibt: «Wir können uns freuen auf ein feines Gratismenü im Restaurant, mit Lammfilet aus Neuseeland, edlem Wein aus Südafrika, neuen Kartoffeln aus Israel, Blumenkohl aus Spanien …»

Ich behaupte: So kann wohl nur jemand aus eigener Erfahrung schreiben, aus der Sicht eines Eidgenossen, der sich so was leisten kann, ohne Gutschein von der Gemeinde. Oder können Sie sich vorstellen, eine alleinerziehende Mutter und ein Rentner mit schwachem Einkommen kämen auf solche Phantastereien.

Die Mutter wäre dankbar, ihre Zahnarztrechnung zu bezahlen ohne irgendwo schmerzhafte Abstriche zu machen. Der Betagte könnte sich endlich ein paar wetterfeste Winterschuhe leisten und eine ebensolche Windjacke leisten.

Darum: Bitte etwas mehr soziale Fantasie anstelle der Häme über einen angeblich sozialistischen Vorschlag.

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Wenn Ihnen 100 Franken (oder mehr) geschenkt würden? © Walter Ludin
11. Mai 2020 | 19:14
von Walter Ludin
Lesezeit: ca. 1 Min.
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Ein Gedanke zu „Geschenktes Geld

  • stadler.karl sagt:

    Kenne diesen Leserbrief nicht. Aber mit “sozialistisch” müsste diese Idee prima vista keineswegs ewas zu tun haben. Natürlich liesse sich über derartige Aktionen und deren ökonomischen Auswirkungen immer streiten. Aber die Idee, dass die Auszahlung in Form von Gutscheinen, die nur in lokalen Geschäften/Beizen usw. eingelöst werden könnten, liesse sich durchaus als solidarischer Beitrag seitens der öffentlichen Hand sehen, dem lokalen Gewerbe, das schliesslich vor Ort Steuern bezahlt und Menschen beschäftigt, bei einem Neustart ein wenig behiflich zu sein. Das hat mit “sozialistisch” vorerst doch nichts zu tun. Dass viele Produkte im Zeitalter der Globalisierung wahrscheinlich aus irgendeiner andern Ecke dieses Globus stammen, diesbezüglich hat der Leserbriefschreiber wahrscheinlich schon recht. Das würde allerdings nicht nur für Restaurants, sondern viele andere Geschäfte ebenso zutreffen.
    Persönlich würde ich jedenfalls gewiss gerne aus der selbstgewählten Quarantäne möglichst bald zurückkehren und mit einem Hunderter-Gutschein meiner Wohnortsgemeinde in meiner Stammbeiz an den Stammtisch hocken. Dort lässt sich die Welt immer stingent-logisch und wahrheitsgetreu analysieren! Wohlverstanden, nicht unter der Einwirkung von kalifornischem Wein oder einem sonstigen edlen Tropfen, sondern geistig beflügelt durch Eichhof-Bier, das meines Wissens bis anhin noch nicht aus China oder von sonstwoher importiert wird.

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