CVP-Präsident Gerhard Pfister
Charles Martig

Gerhard Pfister im Lager der Scharfmacher?

Mein Blogbeitrag zu Natalie Rickli auf der «Anti-Service-Public-Mission»  hat heftige Reaktionen ausgelöst. Damit kann ich gut umgehen, weil ich weiss, wie die Spielregeln in der Medien-Arena funktionieren. Sehr interessant sind nun aber die Reaktionen von Medienleuten und Politikern auf den Artikel im Sonntags-Blick vom 4.9.2016. Gerhard Pister von der CVP liess sich am gleichen Tag hinreissen, einen «Hassprediger-Tweet» auf seinem Twitter-Kanal zu verteilen. Ein Zufall oder ein Versehen? Ich denke nicht, denn die Sozialen Medien wissen mehr über uns, als wir selber wahrhaben wollen.

Der Tatbestand ist schnell erzählt. Nach dem Auftritt von Natalie Rickli im Sonntags-Blick unter dem Titel «Rickli tritt aus! SVP-Politikerin über Kreuz mit der katholischen Kirche» wurde die Aktion sehr schnell auf den Sozialen Medien sekundiert. Der Weltwoche-Bundeshausredaktor Markus Schär (@SchaerWords) twitterte dazu: «Die katholische Kirche beschäftigt einen Hassprediger als Medienmann.» Dieses heftige Geschütz habe ich bisher unkommentiert gelassen, weil es eigentlich nicht der Rede Wert ist. Da hat offensichtlich ein Weltwochemann sein politisches Vokabular nicht ganz im Griff. Oder, was oft vorkommt im Mediengeschäft, Schär hat schneller getwittert als er denken kann. Der Begriff «Hassprediger» ist bereits besetzt und wird bei radikalisierten Ideologen und Kriegstreibern verwendet. Da ich keine Missio zum Predigen in der Kirche habe und mir Hass auf einen Menschen fremd ist, fühle ich mich nicht angesprochen.

Der «Hassprediger-Retweet»

Interessant ist nun, dass Gerhard Pfister diesen Tweet umgehend mit einem Retweet in Umlauf gebracht hat. Für Nicht-Eingeweihte: Ein Retweet bedeutet, dass man eine Nachricht relevant findet und als so wichtig einstuft, dass sie für alle Follower auf dem Kanal sichtbar sein soll. Dies sind immerhin 1800 Leute, unter denen auch viele Meinungsmacher und Journalisten sind. Dieses Vorgehen des CVP-Präsidenten wäre also nach gängigen Regeln auf Twitter so zu interpretieren, dass er den Ausdruck «Hassprediger» billigt. Hier sind wir auf einer anderen Ebene, denn Pfister twittert als CVP-Präsident (@gerhardpfister).

Die Sozialen Medien sind ein ganz besonderer Ort. Hier zeigt sich im Verhalten der Akteure, wer mit welchen Inhalten und Personen interagiert. Dieses Beziehungsnetz legt Zusammenhänge offen, die zumeist in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werden. Kurz gesagt: Facebook, Twitter und LinkedIn wissen mehr über uns, als wir selber wahrhaben wollen. Dies scheint nun auch für den CVP-Präsidenten zutreffend zu sein.

Der polemische Sprachgebrauch

Es ist bekannt, dass sich Gerhard Pfister für die Service-Public-Debatte interessiert. Erst kürzlich hat er im «Schweizer Monat» (September 2016) seine Kritik am Verhalten der SRG geäussert. Mit seiner Einschätzung liegt er gar nicht weit weg von Natalie Rickli. Pfister schreibt in seinem Fazit: «Deshalb wage ich abschliessend die Prognose: die Uneinigkeit der privaten Verleger, deren Unfähigkeit, ihre gemeinsamen Interessen auch gemeinsam zu vertreten, die ‘Zwei Welten’-Rhetorik der SRG sowie die gemeinsame Werbeallianz zwischen Swisscom, SRG und Ringier werden dafür sorgen, dass sich medienpolitisch in diesem Land so schnell nichts ändert. Die wirklichen Kräften, die die Medienlandschaft langfristig auch in der Schweiz zum Besseren ändern werden, sind der Markt und die Technologie. Sie werden den Staatsrundfunk SRG in ein paar Jahrzehnten vielleicht überflüssig machen – was mir ein SRG-Vertreter letzthin sogar in einem persönlichen Gespräch selbst offenbarte.»

Da haben wir also einen ausgewachsenen SRG-Kritiker vor uns, der sich nicht scheut den Begriff «Staatsrundfunk» zu verwenden. «Staatssender» oder «Staatsrundfunk» wird gewöhnlich von der SVP als Kampfbegriff gebraucht, um die Sender der SRG zu diffamieren. «Staatsrundfunk» gibt es in Nord-Korea und nicht in der Schweiz. Die sprachregionalen Unternehmenseinheiten in der Schweiz sind journalistisch unabhängig. Die SRG beruht auf Vereinsrecht. Wer also den Begriff «Staatsrundfunk» gebraucht, verdreht die Tatsachen und betreibt politische Propaganda. Dies war bis anhin nur aus dem Lager der SVP zu hören. Dass nun auch der CVP-Präsident diesen Jargon verwendet, ist ein Zeichen, das man nicht ignorieren sollte. Ist Gerhard Pfister nun ins Lager der Scharfmacher gegen die SRG eingetreten?

Mit Spannungen zwischen privater Meinung und öffentlichem Auftritt leben

Ein Urteil will ich mir nicht anmassen. Der Artikel im Schweizer Monat lässt jedoch darauf schliessen, dass Gerhard Pfister als «privater» Politiker anders denkt als seine Rolle als «öffentlicher» CVP-Präsident dies erfordern würde. Mit Spannungen müssen wir alle leben, aber sprachliche Entgleisungen sind für einen Parteipräsidenten unangebracht. In der SRG-Debatte schiene es mir ehrlicher, wenn Pfister Klartext sprechen würde, anstatt in Medien seinen persönlichen Standpunkt als Konsument darzulegen. Er schreibt am Anfang seines Schweizer-Monat-Artikels: «Die folgende Beschreibung meiner Wahrnehmung der SRG ist denn auch eher persönlich, die eines Konsumenten, weniger die des Präsidenten der Partei, der eine traditionelle Nähe zur SRG nachgesagt werden kann. Und um es gleich vorwegzunehmen: persönlich finde ich, die SRG macht derzeit nicht unbedingt eine gute Figur.»

Es stellt sich zum Schluss die Frage, ob nun der «Hassprediger-Retweet» auch eine Meinungsäusserung des persönlich motivierten Twitter-Konsumenten war, oder doch eher eine Handlung des CVP-Präsidenten, wie es die Kurzbiographie auf dem Kanal ausweist.

Postscriptum: Die beste Analyse zum Kirchenaustritt von Natalie Rickli hat bisher die NZZ publiziert unter dem Titel: «Applaus aus Chur für Rickli – Schwester im Geiste».

 

CVP-Präsident Gerhard Pfister | © zVg
7. September 2016 | 18:00
von Charles Martig
Lesezeit: ca. 3 Min.
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