Bruder Klaus und Gefährten

Gehorsam im Sozialen

«Darum sollt ihr schauen, dass ihr einander gehorsam seid.» Diese Mahnung zum gegenseitigen Gehorsam, die Bruder Klaus an die Berner Ratsherren formuliert, zieht ihr zwischenmenschliches Recht aus einem Phänomen ganz am Ursprung des Lebens.

Spontan sind wir Menschen den kleinen Kindern gehorsam. Der schreiende Säugling wird gestillt, seine Windeln werden gewechselt, ganz nach den Bedürfnissen, die das Kind selber nicht zu beherrschen vermag. Dadurch ergibt sich die Notwendigkeit, dass die Kinder dann nach und nach den Gehorsam lernen müssen. Sie lernen, die Anliegen anderer Menschen und die geschöpflich gegebenen Zwänge zu achten. Wo dies nicht geschieht, entwickeln sich die Kinder zu Tyrannen, bleiben unreif.

Gehorsam zwischen jung und alt

Insbesondere in der biblischen Weisheit, in der ja allgemein menschheitliche Erkenntnisse tradiert werden, ist das ein cantus firmus: Es gilt, «der Zucht des Vaters» zu gehorchen und «das Gebot der Mutter» nicht zu verlassen, wie es gleich am Anfang vom Buch der Sprüche Salomos heisst. Denn in der disziplinierenden, aber von einer fraglosen, persönlichen Liebe durchfluteten Präsenz der Eltern wird den Heranwachsenden ein lebendiges Gefüge von Formen und Werten dargeboten, an dem sie Halt finden und sich zu Herzen nehmen können, was gut, was recht, was wahr und ehrenvoll ist. Illusionäre Vorstellungen können korrigiert werden, ohne dass der naiv kindliche Wille nur eben gebrochen wird. Die alte, autoritäre Erziehung presste die Jugendlichen in formale, humorlose und oft genug heuchlerisch bigotte Vorstellungen von Sitte und Anstand. Die antiautoritäre Erziehung dagegen neigte dazu, die Heranwachsenden ihren Sehnsüchten, Wünschen und Trieben zu überlassen, so dass  sich teenagerhafte Realitätsverweigerungen breit machten.

Bruder Klaus mahnt dagegen zu einer Kultur des gegenseitigen Gehorsams: Die Älteren dürfen sich freuen an der noch unverbrauchten Lebensfreude, die von den Kindern ins Leben getragen wird. Die Kinder aber müssen hören und nachdenken über das, was die Älteren ihnen aus den Erfahrungen ihres Lebens berichten. So, jubelt der Psalm 8, hat Gott «eine Macht zubereitet aus dem Mund der jungen Kinder und Säuglinge»: Die Macht der Liebe, aus der sich das Leben, allen Mächten der Zerstörung zum Trotz, je wieder erneuert.

Bernhard Rothen

Bernhard Rothen ist evangelischer Pfarrer in Hundwil und Präsident der Stiftung Bruder Klaus, die sich vor allem der Auseinandersetzung mit dem Brief an Bern widmet. www.stiftungbruderklaus.ch

Hinweise:

Die Stiftung Bruder Klaus hat im Rahmen des Gedenkjahres zahlreiche Aktivitäten realisiert, darunter auch drei kurze Videos in drei Sprachen zu grundlegenden Themen im Zusammenhang mit Niklaus von Flüe: www.stiftungbruderklaus.ch/videos.

Bernhard Rothen: Brief an die Berner Ratsherren: «Von Liebe wegen», in: Gröbli (2016), 197–202.

Albert Anker (1831–1910), Grossvater erzählt, 1884, Kunstmuseum Bern. (Foto: Sandor Kuthy und andere, Orell Füssli Verlag, Zürich 1980, Wikimedia Commons)
27. Oktober 2017 | 00:02
von Bruder Klaus und Gefährten
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!