Heinz Angehrn

«Fundamental in der christlichen Botschaft»

Herr Blocher gewährt auch unserem Organ hier gnädigerweise ein Interview; der erste Teil ist soeben erschienen. Wir erfahren nicht viel gewaltig Neues und sind doch irgendwie überrascht. Er erwähnt zwar mehrmals, dass er ja nicht Katholik sei (die Hochzeit seiner Tochter mit einem Katholiken scheint unter den Bedingungen unserer Zeit knapp erträglich, so meint man zu lesen – «aber katholisch werden wir dann doch nicht»), aber diese konfessionellen Bemerkungen sind doch eher peanuts. Spannend wird es bei vier Personalien:

Die damalige Kritik von Weihbischof Peter Henrici an der SVP und die daraus folgende (vom Schreibenden übrigens bis heute geteilte) Auffassung, dass ein Katholik eigentlich nicht SVP wählen könne, hat er nicht überwunden. Pauschal bezeichnet er Henrici als «Heuchler» und bezichtigt ihn der Überheblichkeit, bleibt aber jeden Beweis, sprich ein Gegenargument, schuldig. Eher schwach das.

Aus eher heiterem Himmel kommt dann Blochers Begeisterung für Karl Barth (die aber sofort beim Thema von dessen Haltung zum Kommunismus endet). Er sei ein grosser Theologe gewesen, seine Botschaft sei «grossartig»: dass man Gott nicht glauben müsse, sondern dass dessen Zuwendung schon genüge. Dass wir alle unter Gottes Gnade stehen, das scheint Herr Blocher wichtig. Das tönt furchtbar pauschal, fast etwas wie Herrn Trumps Lieblingswort «great».
Aber natürlich ist das nicht banal. Blocher muss im Pfarrhaus von seinem Vater dieses Gottesbild gehört haben und es prägt ihn. Man beachte – ich will nicht in Details gehen – dass Barth wenig am historischen Jesus interessiert war, dass Inkarnation für ihn primär die «Identifikation Gottes mit den Menschen» bedeutet, uns einen Zugang zum Ewigen, zum Jenseitigen schenke. Eine solche Christologie öffnet – rein für sich gesehen – Tor und Tür zu einem rein individualistischen Verständnis von Religion: Hauptsache ich habe meinen Weg zu ihm, meinen Frieden mit ihm gefunden. Après moi le déluge.

Genau das weitet unseren Blick für Blochers Beurteilung der letzten zwei Päpste. Beeindruckt hat ihn nämlich Benedikt XVI., der «fundamental in der Botschaft» war, der «grosse Wirkung» entfaltet habe. Dem sozial-christlichen Engagement von Papst Franziskus traut er nicht und erkennt diesmal «keine Wirkung». Ich erlaube mir grosszügig schnell zu einer gewagten conclusio zu kommen (wenn ich auch eingestehen muss, dass Ratzingers Abneigung gegenüber der Postmoderne mit Blocher gut gespiegelt wird): Für ein individualistisches Verständnis von Religion, für die Frage, wie ich denn als Einzelner vor Gott genügen kann, ist effektiv der historische Jesus als ein in der Nachfolge der Propheten (G.Fohrer) Stehender, ist auch seine Botschaft vom Anbrechen des Reiches Gottes in Taten der Solidarität und Menschlichkeit, unwesentlich, ja sogar hinderlich.
Darum ist die KVI auch gänzlich unnötig, mischen sich die Kirchen wieder mal in Gottes Heilswirken ein: Auch ein Manager ist schon längst gerecht gemacht, egal was in seinen Minen so alles passiert!

Entschuldigung für den polemischen Schluss. Widerspruch wird entgegengenommen. Schade, dass Karl Barth wohl nicht aus seinem Jenseits reagieren wird.

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16. Oktober 2020 | 14:00
von Heinz Angehrn
Lesezeit: ca. 2 Min.
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2 Gedanken zu „“Fundamental in der christlichen Botschaft”

  • stadler karl sagt:

    “Auch ein Manager ist schon längst gerecht gemacht, egal was in seinen Minen passiert..” Dieses Interview von Herrn Blocher ist bei mir ¨überhaupt nicht so herüber gekommen. Da wird ihm doch das Wort im Munde verdreht. Ich glaube nicht, dass Christoph Blocher von einem Gottesverständnis getragen wird, welches dem Menschen ein völlig individualistisches, ausschliessslich auf seine eigenen Interessen zentriertes Dasein zugesteht, unbesehen jeglicher sozialer Verantwortung. Aus seinen politischen Verlautbarungen in den letzten Jahrzehnten, von denen gewiss nicht alle geteilt werden müssen, lässt sich jedenfalls ein solches Gottes- und Religionsverständnis in keiner Weise ableiten, auch wenn dies Viele wahrscheinlich dennoch so sehen und dem, der solches sagt, einen durch Populismus verwirrten Sinn für die Wirklichkeit diagnostizieren.
    Karl Barth ist wohl vom Namen her bekannt, aber ich kenne nicht seine theologischen Schriften, kann da nicht mitreden. Aber dass der Reformierte Blocher für Ratzinger doch einiges übrig hat, das erstaunt eigentlich nicht. Da ist er ausserhalb der Kirche keineswegs der einzige. Auch wenn man aussenstehend ist, ist manchen von Ratzingers Schriften doch einiges abzugewinnen Übrigens hat Bergoglio in seiner neuen Enzyklika von seinen Vorgängern nicht nur Wojtyla, sondern auch Ratzinger zitiert, und dies in einem Kontext, der mir für diese Enzyklika gerade nicht nebensächlich erscheint. Aber solches wird in den Medien, auch in kirchlichen, schlicht tot geschwiegen nach dem Motto: “Was nicht sein darf, kann nicht sein.”
    Eine Aussage jedenfalls hat Blocher in diesem Interview gemacht, die ich nicht nur für wichtig, sondern auch für richtig halte: Es ist nicht entscheidend, ob Religionen systemrelevant sind. Aber lebensrelevant sollten sie für die jeweiligen Gläubigen sein! Das beinhaltet eine gewisse Hilfestellung bei der Kontingenzbewältigung menschlichen Daseins, und damit notwendig auch eine soziale Verantwortung. Im Grunde kommt damit genau das zum Ausdruck, was Bergoglio in Ziffer 276 aussagt.
    Ehrlich gesagt, dieser Enzyklika, welche gewiss sehr viele tiefe Weisheiten beinhaltet, traue ich persönlich auch nicht so recht über den Weg. In Ziffer 210 unternimmt Bergoglio, wenn man genau liest, einen äusserst scharfen Angriff auf positivistische Haltungen. Bergoglio sagt dort nämlich viel mehr, als was Prof.Kirschschläger in seinem Beitrag referiert. Er behauptet letztlich nichts weniger als, dass wer von einer positivistischen Grundhaltung im normativen Bereich, sei es rechtlicher oder ethischer Natur, getragen wird, dazu bestimmt ist, dadurch zu einem Sieg der Logik der Gewalt beizutragen, also schlicht nicht fähig ist, zu verstehen, was Solidarität, Empathie, Menschlichkeit bedeuten könnte. Hier spielt wieder der radikale, spaltende Geist des Nazareners hinein, von dem im Gunde auch die Berg- oder Feldrede getragen wird, eine Stossrichtung, die Überzeugungen, welche mit dem Geist der Seligpreisungen nicht völlig kongruent sind, herabmindert und ausschliesst.
    Wenn aber vielleicht etwas aus den geistesgeschichtlichen Ereignissen der Vergangenheit an Einsicht gewonnen werden kann, dann ist es vielleicht die Erkenntnis, dass aus allen Bemühungen der menschlichen Vernunft, absolute Werte zu erkennen und zu begründen, “naturrechtlich” begründete Gerechtigkeit abzuleiten, immer nur relative Werte resultierten, die nicht selten zu Gewalt und Unheil führten. Ich glaube nicht, dass naturrechtliche Überzeugungen wirklich mehr gegen Unheil und Gewalt gefeit sind als nüchterne positivistische Auffassungen. .

  • Ich schätze die Artikel über Schnittstellen des kirchlichen, politischen und gesellschaftlichen Lebens sehr, besten Dank für diese Arbeit.
    Was ich nicht ganz verstehe ist, dass man sich bisher auf dieser Plattform nicht mit dem aktuellsten Ereignis, dem offenen Brief von Erzbischof Vigano an Donald Trump befasst. Immerhin wirft er dem amtierenden Papst nichts weniger als Verrat vor.
    https://religo.ch/2020/11/01/erzbischof-carlo-maria-vigano-schreibt-offenen-brief-an-donald-trump-prasidenten-der-vereinigten-staaten/

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