Kanonen oder Friedenstauben? Vor der Wartburg Eisenach © Walter Ludin
Walter Ludin

Frieden schaffen ohne Waffen

Auch wenn wir es «dank» Corona fast vergessen haben: In unserer Welt gibt es nach wie vor Gewalt, Terror und Kriege. Und noch immer meinen die Tonangebenden der Welt, dies alles mit kriegerischer Gewalt überwinden zu können. Welch ein Irrtum …

Beim «Entmisten» der Abteilung «Frieden» meiner Hänge-Registratur fand ich einen Artikel, geschrieben kurz nach den Terrorakten von 2001. Es gäbe weltweit etwa 1000 Terroristen, hiess es dort. Dann kam der «Kreuzzug» des Mister Bush, z.B. mit dem Einmarsch in den Irak. Der «Sieg» der USA führte (in)direkt dazu, dass der Terror in einem unvorstellbaren Masse wuchs, bis hin zum islamistischen «Staat» und ähnlichen weltweiten Phänomenen mit Zehntausenden von Kämpfern. Eine rechte Hydra: Wenn man ihr einen Kopf abschlägt, wachsen zwei neue nach; oder auch zehn.

Gibt es eine Alternative zu dieser Spirale der Gewalt? Spätestens seit über 100 Jahren, als Bertha Sophia Felicita Freifrau von Suttner, geborene Gräfin Kinsky von Wchinitz und Tettau, ihre pazifistischen Schriften veröffentlichte, solle es bekannt sein: Es gibt gewaltfreie Methoden der Konfliktbewältigung. Oder wie es vor einigen Jahrzehnten hiess: Frieden schaffen ohne Waffen.

Hildegard Goss-Mayer, wie Bertha Suttner ebenfalls eine Österreicherin, widmet ihr Leben seit 1953 im Auftrag des Internationalen Versöhnungsbundes der gewaltfreien Konfliktlösung. Vor mir liegt ihr bereits 1976 erschienene Taschenbuch «Der Mensch vor dem Unrecht. Spiritualität und Praxis gewaltloser Befreiung». Inspiriert ist der Inhalt sehr stark von der Bergpredigt Jesu. Gezeigt werden konkrete Versuche, das Konzept der Gewaltfreiheit in die Tat umzusetzen. Es lohnt sich, den Schluss des Vorworts zu zitieren:

«Die angeführten Versuche in unserer Zeit, Jesus Christus, dem gewaltlosen Befreier, zu folgen und durch seinen Shalom unsere Gesellschaft von Grund auf zu verändern, erheben nicht den Anspruch, fertige Lösungen und perfekte Strategien anzubieten. Sie sollen jedoch bezeugen, dass es eine Macht gibt, die stärker ist als die weltumspannenden Gewaltsysteme: die Gemeinschaft von Menschen, die aus der Kraft der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der Liebe leben und dem Unrecht entschlossen und mit letzter Konsequenz gewaltfreien Widerstand leisten. Sie sollen uns helfen, unsere Skepsis, unsern Unglauben zu überwinden, Mut zu fassen für Initiativen und Kampf – und Hoffnung schenken, weil der Eine, ewig Treue uns nicht verlässt.»

PS. Vor etlichen Jahren durfte ich Hildegard Goss-Mayr interviewen. Ich war beeindruckt von der Herzlichkeit dieser mutigen Frau; und noch mehr beeindruckt davon, dass sie damals trotz fürchterlichen Rückenschmerzen zahlreiche Vorträge in halb Europa hielt – und daneben noch Zeit für Interviews fand.

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Kanonen oder Friedenstauben? Vor der Wartburg Eisenach © Walter Ludin
5. Januar 2021 | 09:21
von Walter Ludin
Lesezeit: ca. 2 Min.
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5 Gedanken zu „Frieden schaffen ohne Waffen

  • Pia Tschupp sagt:

    Ja, Herr Ludin, nicht alles haben wir – die nach und nach Abtretenden – gut gemacht. Ob nachfolgende Generationen es uns verzeihen mögen? Oder erhalten wir gar noch Chancen, unsere Hausaufgaben nachzuholen? Vielleicht durch die Pandemie? Oder durch die Besinnung darauf, dass wir uns über lange Strecken haben verwöhnen lassen vom Leben? Durch das Bewusstwerden unseres Wegschauens?
    Doch, erlauben Sie mir ein paar zaghafte Gedanken zur Frage, ob es eine Alternative gibt zur Spirale der Gewalt. Zu gewaltfreien Methoden der Konfliktbewältigung. Rückblickend stelle ich fest, dass wir uns da und dort dem Thema angenommen haben. Werden doch unARTige, FEHLbare oder ausFÄLLige Schüler nicht mehr vor die Tür oder den Rohrstock gestellt. Alleine gelassen mit ihren Nöten und in ihrer Ohnmacht. Sondern an den (möglichst) runden Tisch geholt zu klärenden Gesprächen. Und hin zu einer Versöhnung. Wann, wenn nicht als Kind, sollen wir diese Erfahrungen machen können? Und es ist an uns, unseren Vorfahren den Rohrstock zu verzeihen.
    Schauen wir über den Tellerrand hinaus, begegnen wir Menschen aus anderen Kulturen, und wie sie mit dem Thema umgehen. Daoud Nassar etwa, der schwergeprüfte Palästinenser, hat vor seinem Wohnsitz folgende Worte in Stein gemeisselt: “Wir weigern uns, Feinde zu sein.”
    Und Amos Oz, der israelische Autor und Mitbegründer von “Peace now” sagt: “Die Aggression ist die Mutter aller Gewalt. Aber Wunden heilt man nicht mit dem Stock.”
    Die Friedensaktivistin Sumaya Farhat-Naser meint: “Auf dem Weg zur Versöhnung müssen wir uns öffnen für die Leidensgeschichte der anderen.”
    Zum Neujahr 2021 überzeugt der Dirigent Riccardo Muti mit den Worten: “Musicians have in their weapons flowers, not things that kill!”

  • stadler karl sagt:

    Wenn Amos Oz zu diesem Thema, indirekt bezogen auf Israel, schon beigezogen wird: Dieser scharfe Kritiker der israelischen Siedlungspolitik hat, im Zusammenhang mit dem Gazakrieg von 2014, der Opertion “Protective Edge”, in einem Interview unter anderem folgendes gesagt: “…Die einzige Alternative zu einer Fortsetzung der israelischen Militäroperation wäre es, Jesus Christus zu folgen und dem Feind die andere Wange hinzuhalten. Ich habe Jesus in dieseer Frage nie zugestimmt. Anders als europäische Pazifisten habe ich nie geglaubt, dass das leibhaftige böse der Krieg ist. Aus meiner Sicht ist das leibhaftige böse die Aggression und der einzige Weg, Aggression abzuwehren, ist leider Gewalt. Das ist, worin der Unterschied zwischen einem europäischen Pazifisten und einem israelischen Peacenik wie mir besteht.” ( http://www.dw.com/de/amos-oz-israel-kann-nur-verlierebn/a-17823004 ) Und auch ein anderer, äusserst auf Frieden bedachter und sehr regierungkritischer grosser israelischer Schriftsteller, David Grossmann, würde sich vehement gegen eine Abrüstung der israelischen Armee aussprechen.
    Die Dinge liegen in der Regel einfach viel komplizierter. Wenn Walter Ludin den verstärkten Terrorismus indirekt allein als Folge der amerikanischen Intervention im Irak im März 2003 sehen will, dann würden ihm nicht wenige Nahost- und Islamspezialisten scharf widersprechen. Es handelt sich bei dieser Ansicht um die klassische Auffassung von Teilen der europäischen Linke. Natürlich kann man diese Intervention gegen den Schlächter Saddam als grossen Fehler betrachten, wodurch der durch die brutale eiserne Faust Saddam Husseins in Schranken gehaltene status quo zwischen Sunniten und Schiiten im Irak gefährdet wurde. Aber der Terroismus birgt sowohl in Nahost wie in Europa noch sehr viele, ebenso entscheidende Wurzeln. Gerade am 5.Januar 2021erschien in der NZZ ein Beitrag, worin die Analysen von zwei Spezialisten, die fast ihr Leben lang sich mit nichts anderem beschäftigten, und ihrerseits zu zum Tteil kontroversen Ansichtenn gelangen, referiert werden, nämlich Gille Kepel und Olivier Roy. Es bringt absolut nichts, wenn man alles schön reden und auf den Westen abschieben will. Der Islam brigt genauso, wie das Christentum, viele hoffnungsvolle Elemente in sich, aber eben genauso wie das Christentum ein gefährliches destruktives und aggressives Potential.
    Und wenn man einen historisch-empirischen Blick auf solche Bewegungen zu werfen versucht: Diese beiden Religionen mit ihrer missionarischen Stossrichtung brachten immer wieder grandiose kulturelle Blütezeiten hervor. Nicht weniger aber auch sehr viel Tod, Zerstörung und Unheil. So schön es wäre, aber es entspricht nirgends auf diesem Globus, in keiner Kultur, in keiner Bewegung, sie sie religiös oder säkular begründet, den anthropologischen Gegebenheiten, dem Feind oder Gegner, wenn er dich schlägt, auch die andere Wange hinzuhalten.

  • Michael Bamberger sagt:

    Frieden schaffen ohne Waffen…der Ideologie…

    Diverse Chaoten streckten gestern Plakate mit der Aufschrift “Jesus saves” in die Höhe, als sie gemeinsam mit dem Mob das Kapitol stürmten. Bei diesem Gewaltexzess starben vier Menschen. Ob nun die Katalysatoren dieses Wahnsinns Trump heissen, oder QAnon, Rechtsextremismus, Verschwörungstheorien oder Religionen, Frieden schaffen sie nicht.

    Frieden schaffen wir nur, wenn wir wirre Ideologien fallen lassen, bevor Menschen für wirre Ideologien sterben müssen.

  • Das ist es ja gerade, sie sind waffen-narren. und missbrauchen Jesus. ja, sie sollten die wirren ideologien fallen lassen, da sind wir uns einig…

  • Michael Bamberger sagt:

    “…und missbrauchen Jesus” ??

    “Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen! Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert.” (Mat 10,34)

    “Aber jetzt, wer einen Geldbeutel hat, der nehme ihn, und ebenso eine Tasche, und wer keins hat, verkaufe sein Oberkleid und kaufe ein Schwert…” (Lk 22,36)

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