Bettina Flick

Ein wenig Menschlichkeit im manchmal unmenschlichen Alltag

Zurzeit befinde ich mich mit EAPPI als Menschenrechtsbeobachterin in Hebron, Palästina.

Es ist fast schon eine Weihnachtsgeschichte, die ich da kürzlich erleben durfte. Jeden Morgen stehen meine KollegInnen und ich in der Nähe von zwei Checkpoints, an denen Kinder vorbeigehen müssen auf ihrem Weg zur Schule.

Dieser Morgen begann wundervoll mit Sonnenschein. Am Checkpoint standen zwei israelische Soldaten, denen man ihre gute Laune schon von weitem ansah. Es ergab sich, dass wir nicht an unserem üblichen Ort standen, sondern ein wenig näher an den Soldaten, im Rücken eine israelische Siedlung.

Keine zehn Minuten vergingen, da kam ein älterer Mann aus der israelischen Siedlung und begann, auf die Soldaten einzureden. Er zeigte öfter mit dem Finger auf mich. Ich konnte sehen, wie die Gesichter der Soldaten sich verdunkelten, wenn sie zu mir schauten. Verstehen konnte ich nichts, da es auf Hebräisch war. Als der Mann wieder zurück in die Siedlung ging, war die gute Laune der beiden Soldaten verschwunden und sie warfen mir ein paar Mal eher düstere Blicke zu.

Ein anderer älterer Herr, ein Palästinenser, kam durch die Shuhada-Street, er hatte eine grosse Kiste auf seiner Schulter und begann, die steile Treppe neben dem Checkpoint hochzusteigen. Einer der Soldaten schaute ihm nach und eilte dann die Treppe hinauf, um ihm das Gatter aufzuhalten. Danach sah ich, wie der Soldat dem Mann die Kiste abnahm und selbst schulterte. Ich zögerte, ob ich meine Kamera herausholen sollte, es war eine wirklich schöne Szene. Da sprach mich der andere Soldat verärgert an und fragte barsch: «Warum fotografierst du das denn nicht?» Wir kamen kurz ins Gespräch, ich entschuldigte mich, dass ich nicht schnell genug gewesen war. Er meinte: «Sie (und dabei zeigte auf die Siedlung) sagten uns, dass ihr Fotos von uns macht und herumschickt im Internet und behauptet, dass wir schlechte Dinge tun. Die meisten von uns sind noch Kinder, 17, 18 Jahre alt!» Ich antwortete ihm, dass mir bewusst ist, dass sie ihren Befehlen gehorchen müssen, dass ich aber wirklich auch schon öfter ihre Freundlichkeit gesehen hätte wie eben mit dem älteren Mann. Dann ging ich wieder auf meinen Posten. Als der andere Soldat zurückkam, sagte ich ihm, wie sehr mich seine Aktion gefreut hätte und versprach ihm, darüber zu schreiben.

Es war spürbar, wie die gute Laune der beiden langsam wieder zurückkehrte. Und es war einfach schön zu sehen, wie sie zwar sehr wohl die Erwachsenen nach ihren Identitätskarten fragten, es aber mit einem Lächeln taten und einem spürbaren Wohlwollen.

Als die Schule schon angefangen hatte und keine Kinder mehr unterwegs waren, wollte ich grad wieder zurückkehren zu meinen Kollegen, als einer der beiden Soldaten mit einer Packung Kekse zu mir kam und mir einen Keks anbot. Dieser Keks hat ganz besonders gut geschmeckt. Und nun weiss ich auch, wie man auf Hebräisch Danke sagt: Toda! Toda den beiden jungen Männern von gestern Morgen! Toda allen, die in diese schwierigen Situation durch ihr Wohlwollen und ihr Lächeln ein wenig mehr Menschlichkeit bringen!

Ich wurde von HEKS-EPER und Peace Watch Switzerland als Ökumenische Begleiterin nach Palästina und Israel gesendet, wo ich am Ökumenischen Begleitprogramm (EAPPI) des Weltkirchenrates teilnehme. Die in diesem Artikel vertretene Meinung ist persönlich und deckt sich nicht zwingend mit denjenigen der Sendeorganisationen. Falls Sie Teile daraus verwenden oder den Text weitersenden möchten, kontaktieren Sie bitte zuerst Peace Watch Switzerland unter eappi@peacewatch.ch.

23. Dezember 2017 | 18:43
von Bettina Flick
Lesezeit: ca. 2 Min.
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