Heinz Angehrn

Blamiert und blossgestellt – Die Aufführung

«Blamage», so schreit der Herr Faninal, wie die von ihm erhoffte Verehelichung seiner 16jährigen Tochter Sophie mit dem alternden Lustmolch Ochs zu Lerchenau gescheitert ist. Seine Pläne, als Neugeadelter schneller in der High Society anzukommen, sind geplatzt. Ochs fühlt sich weniger blamiert und sieht sich nach dem nächsten hübschen Stubenmaderl um. Auch sein Verwandter im Geiste, Sir John Falstaff, fühlt sich, obwohl samt Wäschekorb in die Themse geworfen, nicht so blamiert: «Tutto nel mondo è burla.»

Wir sehen «Don Pasquale», das letzte Werk Gaetano Donizettis, in einer grossen Tradition stehend. Und dass Richard Strauss gleich in zweien seiner Werke (»Die schweigsame Frau» mit derselben Handlung, der Dienerchor in «Capriccio») darauf Bezug nimmt, adelt das Werk. Doch die «Blamage» hat einen anderen Hintergrund als bei Ochs und Sir John und macht die Komödie auch zum Trauerspiel. Den beiden ging es nämlich nur ums Geld, weil sie in Schulden steckten und via Frauen eine neue Quelle erschliessen wollten. Don Pasquale aber ist alternder reicher Jungeselle und erhofft sich ein ihn wärmendes junges Wesen an der Seite für die letzten Jahre. Seinen Neffen Ernesto enterbt er dafür gern.

Hier setzt Regisseur Christof Loy (der Lieblingsregisseur der Gruberova) mit seiner Zürcher Interpretation an. Sie wurde vom Opernhaus als «abseits der gängigen Buffo-Klischees» angekündigt, das aber scheiterte böse. Vor allem im ersten Teil war es eine Slapstick-Variante im Stil von Laurel und Hardy; wo da der Unterschied liegen soll (es war einfach mehr schwarz-weiss als bunt), erschliesst sich mir nicht. Eine mafiöse Gauner-Truppe (der Boss Malatesta; seine Schwester Norina, die Edelhure; ihr Lover, ein zähnebleckender Killer) versucht Don Pasquale (mit dem Müeslibecher in der Hand schon halb im Pflegeheim) samt seinem naiven Erben und Neffen Ernesto mittels der Fähigkeiten Norinas auszunehmen. Stolpernde doofe Diener, Pistolendrohungen und Freier Norinas zuhauf, die sich im Wege stehen – es war ein bisschen billig.

Vor dem hastigen Happy-End, das solche Opern nehmen müssen, gab es im zweiten Teil aber ein ästhetisches und emotionales Geschenk: Zu Ernestos lyrischem Liebesgesang im Garten fallen alle übrigen Figuren aus ihren Klischee-Rollen und werden zu (mit)fühlenden, ganz normalen Menschen. Norina ergreift Pasquales Hand, der Killer hört auf zu grinsen, der Boss sitzt sinnierend am Boden. Das gefiel mir – zehn Minuten Schönheit in zwei Stunden Klamauk.

Gesungen wird auf hohem, in Zürich aber auch üblichem Niveau: Julie Fuchs überragt als trillernde und zeternde Norina; Dimitris Tiliakos in der Zweitbesetzung ist ein stimmsicherer Don Pasquale (ob Loy bewusst ist, dass er mit den farbigen Papierschlangen im Finale an Tiliakos Lieblingsrolle Macbeth in der Kosky-Inszenierung anspielt?); Konstanin Shushakov ein stabiler Malatesta; der als Shooting-Star angekündigte junge Chinese Mingjie Lei als Ernesto singt in schönen Belcanto-Höhen ohne Makel. Allerdings fehlte bei allen die vom Hörer manchmal erhoffte Stern-Minute.

Musikalisch ein grosser Spass, man(n) kann auch betrunken hingehen.

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30. Dezember 2019 | 09:00
von Heinz Angehrn
Lesezeit: ca. 2 Min.
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