Heinz Angehrn

Doktrin – wahre Lehre – Lehramt

Termini wie die obigen durchziehen ganze Seiten und Spalten in der aktuellen Mediendiskussion im Gefolge der Churer Nicht-Bischofswahl. Doch wieder einmal sind es tückische Termini wie so oft, sobald eine Diskussion den Bereich des streng mathematisch Beweisbaren verlässt und am Rande verschiedenster Ideologien kreist. Natürlich ist die korrekte Verwendung solcher Termini, sobald sie als absolut, sprich Inhalte als vorgegebene Wahrheit verstanden werden, nur innerhalb des «Sprachspiels» einer streng und konsequent geschlossenen Gruppe möglich. Und eine solche Gruppe, liebe Kollegen/innen, liebe Mitdenkende, liebe Widersprechende, (lieber Martin!), ist die katholische Kirche nicht mehr! Sie war es wohl auch nie, aber innerhalb klar geschlossener kulturell-geographischer Regionen, wie es etwa Mitteleuropa lange war, konnte dieser Eindruck entstehen. Ich weiss ja nicht, wie es Kollegen/innen erging, die das katholische Irland wie ich intensiv erleben konnten: Für mich war diese Welt, auch und gerade in ihrer Glaubenssubstanz, nicht dieselbe wie die in der Deutschschweiz oder im Ticino. Wer etwa die streng asketischen Wallfahrten zum Kloster im Lough Derg verfolgte, war bass erstaunt.

Also was ist sie denn nun, diese «wahre Lehre», diese «Substanz», diese Doktrin des Katholischen? Ist es (alles bloss Vorschläge) der Inhalt des Codex von 1917 oder des aktuellen von 1983; ist es der Inhalt des Katechismus von 1992; sind es die Dogmen des ersten Jahrtausends bis zur Abspaltung der Ostkirchen oder aber alle Dogmen, auch die nach der Reformation; sind es die Formulierungen des Tridentinums von 1545-1563 oder nur die des letzten Konzils, des Zweiten Vaticanums; ist es vielleicht alleine das Dogma von 1870; sind es die gesammelten Enzykliken der Päpste der Neuzeit; ist es einfach das ganze Enchiridion Symbolorum; oder – wohl der schrecklichste Gedanke für manche Doktrinäre – ist es etwa gar das Neue Testament, die neutestamentlichen Schriften zumal, die klar im ersten Jahrhundert entstanden sind (Synoptiker, 1 Kor, Röm, Gal etc.)?
Ich wage zu behaupten, dass es zu viele Sprachspiele auch innerhalb der Führungsetage des Katholizismus (zu der ich den Papst, die vatikanischen Behörden, die Bischöfe und die Theologieprofessoren/innen aller Kontinente zähle) gibt, um so klipp und klar zu definieren, wie wir gerne wollten.

Unser aktuell oberster Chef, Papst Franziskus, macht es uns nicht gerade einfach, hier klar zu ordnen. Ich zitiere, was er in neuester Zeit unter anderem äusserte bzw. äussern liess:
a) Gottesdienste in der katholischen Kirche sollen nach dem Willen von Papst Franziskus eine größere kulturelle Vielfalt widerspiegeln. So könne der 1988 anerkannte kongolesische Ritus als «Beispiel und Vorbild für andere Kulturen» dienen. Das sagte das Kirchenoberhaupt am Dienstag in einer Videobotschaft. Schon nach der Amazonas-Synode im Oktober 2019 hatte Franziskus angeregt, für Amazonien eine eigene Liturgie mit Ausdrucksformen indigener Völker zu schaffen.
b) Papst Franziskus hat Kirchenreformen nach allein demokratischen Maßstäben eine Absage erteilt. Die Existenz der Kirche beziehe ihren Sinn aus der Verwurzelung in Christus, betonte er in seiner wöchentlichen Videoansprache. Unabdingbar seien das Hören auf die Lehre der Apostel, geschwisterliche Gemeinschaft, die Feier der Sakramente und das Gebet, so Franziskus. Alles, was in der Kirche jenseits dieser Eckpunkte wachse, sei ohne Fundament und «auf Sand gebaut».
c) Der Heilige Vater hatte zunächst einen pastoralen Hinweis auf die Notwendigkeit gegeben, dass innerhalb der Familie der Sohn oder die Tochter mit einer homosexuellen Orientierung niemals diskriminiert werden dürfe. Der Papst sagte: «Homosexuelle Menschen haben das Recht, in einer Familie zu sein; sie sind Kinder Gottes, sie haben das Recht auf eine Familie. Niemand darf aus der Familie hinausgeworfen werden oder ihnen das Leben unmöglich machen.»

Es folgert für mich, dass jenseits der Aussagen des Religionsgründers Jesus von Nazareth kaum etwas wirklich einheitlich Substantielles zu greifen ist, auf das sich irgendein Theologe, irgendein Kirchenfürst oder irgendeine Laiengruppe als «absolut» stützen könnte. Aber die Aussagen Jesu sind greifbar und sehr klar. Man(n) erlaube mir zum Schluss eine Auswahl dessen, was ich – seit ich die Bibel mit etwa 16 ernsthaft zu lesen begann – als wirklich «wahre Lehre» erachte:

I ging Jesus wieder nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium (Mk 1,14-15)

II Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes. Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet satt werden. Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen. Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und aus ihrer Gemeinschaft ausschließen, wenn sie euch beschimpfen und euch in Verruf bringen um des Menschensohnes willen. Freut euch und jauchzt an jenem Tag; euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn ebenso haben es ihre Väter mit den Propheten gemacht. Aber weh euch, die ihr reich seid; denn ihr habt keinen Trost mehr zu erwarten. Weh euch, die ihr jetzt satt seid; denn ihr werdet hungern. Weh euch, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet klagen und weinen. Weh euch, wenn euch alle Menschen loben; denn ebenso haben es ihre Väter mit den falschen Propheten gemacht. Euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln. Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin, und dem, der dir den Mantel wegnimmt, lass auch das Hemd. (Lk, Feldpredigt)

III Da rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele. (Mk 10,42-44)

IV Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder. Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel. Auch sollt ihr euch nicht Lehrer nennen lassen; denn nur einer ist euer Lehrer, Christus. Der Größte von euch soll euer Diener sein. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden. (Mt 23,8-12)

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6. Dezember 2020 | 06:00
von Heinz Angehrn
Lesezeit: ca. 4 Min.
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12 Gedanken zu „Doktrin – wahre Lehre – Lehramt

  • stadler karl sagt:

    Das Problem der “Wahrheit” wird immer ein aktuelles bleiben. Wie sich das jeweilige Wahrheitsverständnis ausgestaltet, wird sich nicht zuletzt daran entscheiden, an welchen Krtierien “Wahrheit” gemessen wird. In der Kirchengeschichte wurde über weite Strecken mehrheitlich ein Wahrheitsbegriff verwendet, welcher mehr oder weniger der Korrespondenztheorie verplichtet war. Implizit verwendete bereits Aristoteles einen ähnlichen Wahrheitsbegriff (vgl. Metaph. 4. Buch, 7. Abschnitt 1011b26-28). Auch in der Scholastik wurde teilweise so etwas wie eine Korrespondenztheorie vertreten (vgl. Thomas, “Questiones de disputatae de veritate”), obwohl bereits damals indirekt Einwände erhoben wurden (vgl. Abälard in seinem “Gespräch zwischen einem Philosophen, Juden und Christen, wo er der Vernunft ein dem Glauben ebenbürtiger Stellenwert einräumt wo und er eigentlich auch Fragen der Auslegung aufwirft, denen doch heute immer noch grosse Aktualität zukommt). Auch der frühe Wittgenstein ist in seinem Tactatus logico-philosophicus mit seiner logischen Abbildtheorie von Satz und Wirklichkeit im Grunde einer Form der Korrespondnztheorie verplichtet. In der Philosophiegeschichte wurden allerdings einige Einwände gegen das Korrespondenz-Kriterium erhoben, wie z.B., diese Definition sei zirkulär, oder sie sei erkenntnistheoretisch nicht neutral oder basiere auf einem etwas naiven erkenntnistheoretischen Realismus. Auch Alfred Tarski brachte in neuerer Zeit mit seinem semantischen Ansatz des Wahrheitsbegriffes die Korrespondenztheorie , soweit sie gerade in den natürlichen Sprachen Anwendugn findet, aus sprachlogischen Überlegungen in Bedrängnis (Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen, 1936) Er wirft auch die Frage auf, wie es a priori möglich sei, zu wissen, dass Wahrheit in der Übereinstimmung von Proposition/Aussage und Wirklichkeit bestehe? Wir müssten unsere Definition von Wahrheit mit der “Wahrheit” vergleichen können, also a priori bereits über das Wissen um die Wahrheit verfügen.
    Auf die Glaubenswahrheit bezogen werden die Theologen einwenden, das ergebe sich aus der Offenbarung und all ihrer Texte. Und gerade da wird die sprachphilosophische Fragestellung, auf die Sie, Herr Angehrn, in diesem Zusammenhang zurückgreifen, gewiss an grosser Bedeutung gewinnen. Aber dürfen Sie dann die heikle Aussage in Ihrerm Beitrag machen, “… Aber die Aussagen Jesu sind greifbar und sehr nah…”.Da würden Ihnen wahrscheinlich die meisten Bibelexegeten, da würde Ihnen vermutlich Basel, St. Gallen und Chur beipflichten und natürlich auch Rom. Tarski operiert ja im Zusammenhang seiner Darstellung des Wahrheitsproblems und mit der Kritik an der Korrespondenztheorie innerhalb der natürlichen Sprachen mit Objekt- und Metaspache und kommt so, aus sprachlogischen Überlegungen, auf andere Konklusionen als die Korrespondenztheorie. Es gibt ja noch weitere Wahrheitskriterien, die in der Philosophie vertreten wurden und werden. Aber auch das Kohärenz- und Evidenzkriterium, die Konsenstheorie oder das Kriterium des Pragmatismus scheinen letztlich keine abschliessend befriedigende Lösung des Wahrheitsproblems bieten zu können, gelten zumindest nicht unumstritten. Das Kriterium des Pragmatismus scheint manchmal das geeignetste zu sein, indem ein Wahrheitsbegriff bzw. eine Aussage als “wahr” vertreten wird, weil sie in der konkret gegebenen Lebenssituation am meisten Nutzen – jetzt aber nicht in einem utilitaristischen Sinn verstanden – für die Bewältigung einer Lebenssituation, vielleicht der Kontingenz menschlichen Daseins, verspricht. Ähnlich einem gewissen Plazeboeffekt. Vielleicht hat, was Sie erwähnen im Zusammenhang der Aussage von Bergoglio, dass Gottesdienste, bzw. Gestaltungen der Liturgie in kulturspezifischen Formen durchgeführt werden könnten, auch ein gewisses pragmatisches Element in sich,. Aber ich glaube nicht dass es sich dabei um eine “Grundwahrheit” des Katholizismus geht, sondern vielleicht eher um Formen der Eucharistie, denen so im Bezug zum Sakrament nur akzidentelle Bedeutung zukommt. Ja, das Verhältnis von fides et ratio spechen Sie in Ihrem heutigen Beitrag an. Und es ist Ihnen gewiss zuzustimmen: Wenn man über die kirchengeschichtliche Entwicklung hinweg die ständig neu entstehenden hermeneutischen Zusammenhänge in den Blick nehmen würde – Hermeneutik ist ja keineswegs ein ausschliessliches Problem der Auslegug der Offenbarung – wenn man den raschen Wandel und die formale und gruppenspezifische Ausdifferenzierung in der Linguistik natürlicher Sprachen, im Sinne des späten Wittgenstein, sich vor Auen hält, dann wird es äusserst schwierig, dass so etwas wie die “Substanz” eines Glaubens mittels eines CIC, oder anderweitiger normativer Lebensanleitungen, und mögen diese auch ab und zu an neue Verhältnisse angepasst werden, auf unabänderliche und einheitliche Weise zusammengehalten werden kann.
    Vielleicht zeigt sich gerade darin die grosse Frage, was denn eigentlich den Kern des Religiösen überhaupt ausmachen könnte? Sind das inhaltliche, kultur- und sinnstiftende metaphysische Bezugnahmen zu letzten Fragen menschlicher Existenz und deren Stellung innerhalb des kosmischen Geschehens? Oder liegt der Kern des Religiösen in der Bereitstellung eigentlicher Normensysteme als verbindliche Anleitung für die Gestaltung von Lebensformen? Wenn das letztere den Kern des Religiösen ausmachen sollte, dann ist damit notwendiger Weise, das ist meine persönliche Meinung, viel Unheil, Elend, Gewalt und Zerstörung verbunden.

    • Hans Zünd sagt:

      Wahrheit kann nie in Worten definiert werden. Die Wahrheit finden wir in Jesus Christus. Sie kommt zur Wirkung, indem wir ihn in uns irnkarnieren lassen.

  • Thomas J. sagt:

    Es tut mir leid das zu sagen, aber der Artikel ist obwohl man seine positive Intention heraushört, recht unausgegoren. Die katholische Lehre ist anders als behauptet relativ klar im Katechismus dargestellt (ob man die Inhalte für überzeugend hält oder ob das tatsächlich so gelaubt und gelebt wird steht auf einem anderen Blatt) Umgekehrt gilt, dass die Aussagen Jesus keineswegs so klar sind (die protestantische These, dass die Schrift eindeutig sei…ist relativ leicht wiederlegt… ansonsten hätten wir ja nicht so viele unterschiedliche Auslegungen…) Vll. sollte man einfach beginnen zu lernen mit dieser Ambiguität umzugehen, ehrlich gesagt ist das nicht nur eine Schwäche sondern in Bezug auf die Hermeneutik auch eine Stärke der Schrift, da sie so immer relevant bleiben kann.

    • Heinz Angehrn sagt:

      Aber gerade der Katechismus ist nicht Heilige Schrift, ist nicht Wort Jesu, sondern ist bloss ein zeitgebundenes Dokument (analog dem Talmud im Judentum), das sich zu allen möglichen dogmatischen und ethischen Fragen äussert, immer abhängig vom jeweiligen theologischen, historischen und naturwissenschaftlichen Wissenstand einer bestimmten Epoche, und kann darum nicht als sichere Wahrheit im Sinn irgendeiner Erkenntnistheorie bezeichnet werden. Nicht einmal als “Sprachspiel” taugt er, denn:
      Er wurde in wesentlichsten Teilen: a) nur von Männern, b) nur von älteren Männern, c) nur von zölibatären Männern, verfasst. Nichts gegen alte zölibatäre Männer, anders als die Gender-Ideologen/innen betrachte ich sie nicht als Täter per se. Aber: Sie sind nicht im Geringsten repräsentativ, um die Lehre Jesu für das 21.Jahrhundert auszulegen.
      Wenn wir nun dem alten katholischen Bonmot folgen würden, dass die Bibel vom gemeinen Volke nicht richtig verstanden werden könne, dann müsste die Gruppe der Auslegenden maximal repräsentativ für die ganze Christenheit sein. Oder gehört das Neue Testament nur uns Katholiken? Wohl kaum.
      Lieber Thomas J.: Es tut mir leid dies zu formulieren, aber Ihr Gegenargument scheint mir noch unausgegorener als meines.

      • Thomas J. sagt:

        Nun ich verstehe, dass Sie sich mit dem Wort “unausgegoren” angegriffen fühlen und das Sie das deshalb gerne zurück schieben möchten. Dennoch ist das nicht meine Schuld, denn Sie postulieren Klarheit wo es keine gibt, und Unklar wo Klarheit ist. Ich habe nicht bestritten, dass das der Katechismus zeitgebunden ist und nicht die Heilige Schrift selbst, obwohl er sich auf dieselbe stützt. Er stellt jedoch ganz klar nach (amtlichem) Selbstverständnis den Katholischen Glauben dar. Wer ihn geschrieben hat oder wie repräsentativ er ist, ist daher religionssoziologisch (nicht normativ!) unerheblich.

        Das was Sie umtreibt ist eher ein Reformfrage, wie kann Glaube, gestützt auf Jesus Christus in der heutigen Zeit unter den “Zeichen der Zeit” mit einer angemessenen Repräsentanz etwa der Geschlechter neu ausgedrückt und glaubhaft gelebt werden (Das wäre ein für mich ein zu unterstützendes Anliegen) Allerdings steht dem eine kirchliche und dogmatische Realität oder schwächer gesagt, Schwierigkeiten gegenüber. So ist das Offenbarungsverständnis der katholischen Kirche eben nicht allein auf die Schrift, sondern auch an die “Tradition” wie auch immer sie interpretiert wird, gestützt. (Und auch hier gilt übrigens zu bedenken, dass die Schrift ebenfalls bereits ein Produkt der Tradition ist, bevor man postulieren mag, dass darin klar und wiederspruchsfrei die Lehre Jesu enthalten sei)
        Das Problem der Auslegung haben Sie übrigens nur mit einem Ad-Hominum Argument gekontert ohne eine eigenes Argument vorzustellen. Mir ist soweit nach wievor unklar wie Sie zu einer “sichere Wahrheit im Sinn irgendeiner Erkenntnistheorie” kommen wollen. Religion funktioniert genau so nicht und ist immer einer gewissen Spekulation unterworfen, gerade deshalb, und hier muss ich mich wiederholen, gibt es ja so viele unterschiedliche Konfessionen…man kann die Schrift polyvalent auslegen. Es reicht eben nicht einfach ein Jesuszitat herzunehmen und zu behaupten das sei so…

        • karl stadler sagt:

          Bloss, als theologischer Laie hat man natürlich seine liebe Mühe mit dem “amtlichen” Selbstverständnis des katholischen Glaubens, wie Sie es darlegen. Letztlich läuft genau dieses Verständnis auf ein positivistisches Glaubensverständnis hin
          aus! Wenn der Grund der offiziellen Geltung eines Dogmas religionssoziologisch, also von einer deskriptiven Warte aus, auch unerheblich sein mag, dann bedeutet dies, dass der Inhalt sich von der ursprünglichen Authentizität des Nazareners genauso entfernt haben kann wie ein Dogma, welches das gleiche Thema ganz anders auslegen oder regeln würde. Aber es ist wahrscheinlich religionssoziologisch ebenso eine Tatsache, dass die grosse Mehrheit der überzeugten Gläubigen gerade nicht nach einem solchen Geltungsverständnis von Dogmen und Glaubensinhalten strebt und sich auch nicht danach sehnt. Die Vorgänge anlässlich des ersten Nicäums, sofernt sie den historisch verlässlich überliefert wurden, lassen sich wahrscheinlich im Glaubensverständnis der Mehrheit der Gläubigen, auch das vielleicht eine religionssoziologische Tatsache, kaum mit Matthäus 16.18 in Einklang bringen. Das Machtwort Konstantins, wie die Natur Jesu theologisch zu verstehen sei, stellt doch ein geradezu klassicher positivistischer Prozess dar und hat wahrscheinlich kaum etwas mit einer eigentlichen Tradition, auch in einem hermeneutischen Sinne, etwas zu tun.

      • Thomas J. sagt:

        Ich möchte übrigens nochmal betonen, dass mir Ihre Intentionen und Anliegen die ich hinter dem was Sie schreiben sympathisch finde und generell unterstützen swert…ich halte die Äußerungen nur für zu kurz gegriffen und systematisch schwach begründet…

  • stadler karl sagt:

    “Aber die Aussagen Jesu sind greifbar und sehr nah”. Ich glaube, ich weiss nun, was Sie mit dieser Aussage wahrsccheinlich ausdrücken wollen. Ich hatte diese Woche eine wunderschöne Beobachtung machen können, die ich leider, aus beruflichen Gründen, nicht schildern kann. Aber wie diese zwei Personen einen Konflikt lösten, ist bewundernswert. Beide Personen sind nicht im Zentrum der Gesellschaft anzusiedeln, eher in der Peripherie. Und beide sind verwurzelt in verschiedenen, eigentlich nicht hiesigen Traditionen. Beiden sind wahrscheinlich Fragen von Exegese oder Hermeneutik eher fremd. Aber es ist unglaublich bewundernswert, wie sie diesen Konflikt aus der Welt schafften, wie sie sich in die situativen Schwierigkeiten des je anderen Kontrahenten einfühlen konnten. Davon kann unsereiner nur träumen. Ich glaube, ich verstehe, was Sie mit “greifbar und sehr nahe” meinen, auch wenn ich persönlich dem Nazarener und der Feldpredigt nicht so nahe stehe..

  • Heinz Angehrn sagt:

    Ich versuche eine (vorübergehende) Conclusio:
    1. (Was niemand überraschen kann) Keines der hier vorgetragenen Argumente hat zu einem Ergebnis in dem Sinn geführt, dass es jenseits streng geschlossener religiöser Gruppen absolute Wahrheit in Fragen des Glaubens und der religiösen Moral gibt.
    2. Wir sind uns wohl im wesentlichen einig, dass auch das Neue Testament der Auslegung bedarf, ja in seinen jüngeren Teilen (Johannes, Pastoralbriefe) bereits Auslegung ist.
    3. Ich beharre aber auf folgenden drei Argumenten:
    3a) Die katholische Kirche ist spätestens seit Mitte des letzten Jahrhunderts keine streng geschlossene Gruppe mehr. Der Wittgenstein’sche Ansatz trifft darum gerade auch sie: Es gibt mehrere katholische Sprachspiele, die Zeit der klaren Dogmen ist wohl vorbei.
    3b) Ad fontes: Der historische Jesus ist in den Synoptikern am nächsten, am greifbarsten. Er war ein apokalyptischer jüdischer Wanderprediger, der damit rechnete, dass das Ende von Zeit und Welt bald bevorsteht und deshalb zur radikalen Lebensführung aufrief. Da sind wir der Quelle am nächsten. Ob sich daraus ein ganzer Kanon an “Lebens-Sicherheiten” ableiten lässt, ist fraglich.
    3c) Ich bin und bleibe im Grundansatz darum bei Kant: Für das Leben und Überleben von Welt und Menschheit ist die Annahme eines existierenden Gottes (der bei Kant der christliche Gott war) die bessere Option als das Gegenteil.

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