Heinz Angehrn

Die vernetzte Welt

Schon kommt das Geschrei auf, dass wir alle unsere Lebensgewohnheiten nicht wie bis anhin fortsetzen könnten, dass Einschränkungen aller Art zu befürchten sind, dass die Reisefreiheit, ja die «Konsumfreiheit» (wenn es dieses Wort denn gibt) überhaupt, beeinträchtigt werden könnte. Ja aber bitte, was an vielen dieser Gewohnheiten und «Freiheiten» war und ist denn wirklich normal? Wir (viele ethisch vernünftig denkende Leute und auch gelegentlich ich) haben immer wieder und das seit Jahren etwa folgende Fragen gestellt (und nun holen sie uns mal kurz ein):

  1. War und ist es sinnvoll und verantwortbar (ökologisch, ethisch, logisch), ausserhalb der Saison Früchte, Gemüse und Fleischprodukte Tausende oder gar Zehntausende von Kilometern herumzufahren oder zu fliegen, nur damit wir immer genau das haben, worauf uns die Lust steht?
    (Wenn Corona also zur Folge hätte, dass wir eben Schweizer Frisch- und Tiefkühlprodukte, Schweizer Ziegen und Schafe, konsumieren müssen, statt uns auf allen möglichen Märkten einzudecken, hätte die Epidemie etwas Gutes.)

  2. War und ist es sinnvoll und verantwortbar (Klammer s. unter 1.), allein, zu zweit oder gar mit den Kids und möglichst all inclusive an allen möglichen Orten der Welt die (Billig)Ferien zu verbringen, dabei literweise Kerosin zu verbrennen und von schlechten Arbeitsbedingungen zu profitieren?
    (Wenn Corona also zur Folge hätte, dass wir, dass unsere Familien, statt dessen ins Engadin, in den Jura oder auch ins Toggenburg in die Ferien gehen, hätte die Epidemie etwas Gutes.)

  3. War und ist es sinnvoll und verantwortbar (Klammer s. unter 1.), dass sich Zehntausende von Menschen wie Mastvieh auf engstem Raum einpferchen lassen, um sich die Ohren kaputt zu dröhnen oder überzahlten Bubis beim Ballspiel – und dies unter dem Absingen von freundlichen bis zutiefst rassistischen Gesängen – zuzusehen?
    (Wenn Corona also zur Folge hätte, dass Grossanlässe dieser Art und Couleur mal während einigen Monaten, ja möglichst lange, ausfallen, hätte die Epidemie etwas Gutes.)

  4. War und ist es sinnvoll und verantwortbar (Klammer s. unter 1), dass sich die Spezies homo sapiens auf dem ganzen Planeten so breit macht, dass die anderen Lebewesen, Tiere etwa, wie Ware behandelt bzw. dass ihre Lebensräume und -Grundlagen zerstört werden?
    (Wenn Corona also zur Folge hätte, dass es wieder etwas mehr Platz für Eisbär, Orang-Utan, Bison, Wolf und Haifisch gäbe, hätte …)

Ein Gruss darum an all die, die den echt doofen Slogan versandt haben: «Das Gute an Corona ist, dass wir nicht mehr über Greta reden müssen» (oder auch etwas anders). Strengt doch Eure noch übrig gebliebenen grauen Zellen etwas mehr an.

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  • 069: Bildrechte beim Autor
10. März 2020 | 11:33
von Heinz Angehrn
Lesezeit: ca. 2 Min.
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Ein Gedanke zu „Die vernetzte Welt

  • stadler.karl sagt:

    Ja, unsere Gesellschaft hat sich halt in eine etwas krisenanfällige Situation hineinmanöveriert, und zwar, ohne dass die allermeisten das wollten. Vielleicht hat man zu spät auf die Wissenschft gehört, deren prognostizierte Szenarien inzwischen teilweise bereits jetzt in ausgeprägterem Masse eintreffen. Das Corona-Virus zeigt auch in eindrücklicher Weise die weltweite gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit, die durch die Globalisierng eingetreten ist und auch, wie schnell es geht und wie wenig es braucht, dass weite Teile auch unserer Wirtschaft, von der letztlich wir alle leben, in arges Zittern geraten kann. Diese Epidemie könntee vielleicht auch eine Möglichkeit bieten, sich einmal zurückzulehnen, sich zu besinnen, dass die je eigene Perspektive und Art, sich dieser und Art Welt zu nähern, anstehende Fragen zu betrachten, immer nur ein ganz winziger Teilaspekt der Wahrheit sein kann.
    Wie unwissentlich, jedoch effizient, die je eigene Verstricktheit in diese krisenhaften Probleme sein kann, zeigt bereits der Umstand, dass allein der weltweite Umgang mit dem Internet sich aus Engeriequellen speist, die gesamthaft mehr klimaschädliche Emissionen verursachen als der gesamte weitweite Flugverkehr. Und dabei ist das Internet erst gut zwanzig Jahre alt. Man stelle sich dies einmal vor!

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