Eine Rentnerin hilft Pirmarschuelern freiwillig beim Textilunterricht
Jeannette Röthlisberger

Die Verantwortung der Arbeitswelt

Über 50-Jährige haben es schwer. Einerseits sind sie bereits «altes Eisen» in der Arbeitswelt und andererseits von Kündigungen infolge irgendwelcher struktureller Massnahmen betroffen. Sie werden aussortiert, weil sie zu teuer wurden, weil sie «zu alt» sind. Zudem sind sie, aber nicht nur sie, vom zunehmenden Druck in der Arbeit bedroht, viel zu viele Angestellte und auch Manager landen am Ende in einem Burnout und damit in der Krise mit dem Namen «Erschöpfungsdepression». Aus eigener Erfahrung weiss ich, wie rasch das passiert, und wie schwierig es danach ist, eine neue Arbeit zu finden. Die genau gleiche Arbeitswelt, die uns ältere (erfahrenere! weisere!) aussortiert hat, ist danach nicht bereit, uns eine neue Chance zu geben.

Eigentlich sollten Firmen die genau gleichen Mitarbeiter, die eine solche – notabene durch die Umstände innerhalb des Unternehmens – Störung erleiden, auch wieder einstellen müssen. Eigentlich müssten die Unternehmen sich an ihre Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitern erinnern und ihnen dabei helfen, wieder in die Pedale zu kommen. Denn erwiesenermassen sind es gerade die fleissigen, die interessierten und engagierten Menschen, die potenziell krank werden.

Mit einer solchen Depression krank zu werden, ist das eine. Aber nach dieser Phase dann am eigenen Körper zu erleben, wie menschenverachtend diese Welt geworden ist, indem man einfach keinen Arbeitgeber mehr findet, das macht das Gesundwerden enorm schwierig.

Was auf mich ebenfalls sehr verstörend wirkt, ist, dass es zunehmend auch jüngere Menschen trifft. Wie lange noch können wir das Tempo beibehalten, das uns alle zu immer noch mehr Rendite, immer noch mehr Konsum, immer weniger Lebensqualität antreibt? Wo ist das Ende erreicht?

Es muss etwas anderes sein, das unsere Lebensqualität bestimmt. Wenn man es nicht Religion oder Spiritualität nennen möchte, dann mindestens Work-Life-Balance, Verantwortung, Achtsamkeit und Respekt. Das allein würde schon viel bringen!

Eine Rentnerin hilft Pirmarschuelern freiwillig beim Textilunterricht | © 2015 KEYSTONE/Christian Beutler
8. November 2016 | 08:53
von Jeannette Röthlisberger
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