Heinz Angehrn

Die Ursachen der Homophobie

Mal was ganz Anderes, angeregt einmal durch mancherlei, was im Umfeld der Herren Hauke und Rothe hier in den letzten Tagen zu lesen war, aber auch durch meines Ex-Studien- und Priesterkollegen Jürg Bläuers Buch «Raus aus dem Wandschrank».
(und auch ein Beitrag zum 25.Geburtstag von adamim)

Beginnen wir mit dem, was eine anständige Schöpfungstheologie in der Nachfolge von Matthew Fox etwa zur Ausgangslage sagt: Wenn Judentum und Christentum die Aussage des ersten Schöpfungsberichtes, dass für den Schöpfergott alles Geschaffene «gut», ja «sehr gut» war, ernst nehmen, dann gilt das nicht für für das Universum in seiner ganzen Gewaltigkeit, nicht nur für Fauna und Flora in ihren vielfältigsten Verästelungen (auch die Mücke, die mich da in der Sommernacht sticht, ist sein «gutes», sein gewolltes Geschöpf – da lag wohl der Ansatz von Albert Schweitzers radikaler Haltung), nein auch für den homo sapiens, sowohl in seiner Körperlichkeit wie Geistigkeit, als auch in seiner sexuellen Orientierung. Auch der homosexuell fühlende und lebende Mensch ist Gottes gutes Geschöpf, klipp und klar.

«Als Mann und Frau schuf er sie», so weiter im ersten Bericht. Ja, das stimmt ja auch: Es gibt den Menschen in diesen zwei grundsätzlichen Ausprägungen. Dass dann die Aufforderung erfolgt, sich zu vermehren und so die Welt untertan zu machen, bezieht sich zwar auf diese einzigartige Möglichkeit heterosexueller Sexualität, aber eine grundsätzliche Abwertung der anderen sexuellen Orientierung lässt sich dadurch nicht ableiten, schon gar keine Verbote oder Ausgrenzungen. (Ob schwule und lesbische Paare an der Vermehrung unserer Spezies mit Hilfe der modernen Medizin teilnehmen wollen, das soll hier nicht betrachtet werden.)

Verbote und Ablehnungen entstanden sehr bald; die einst von einem Churer Alt-Bischof genüsslich zitierten Passagen aus den Gesetzestexten der Torah sind eine ihrer Ausformungen. Und es zieht sich eine lange lange Linie durch die Menschheitsgeschichte bis hin zu den diskriminierenden Sprüchen, wie sie heute noch in jeder Oberstufenklasse zu hören sind. Natürlich haben wir den Satz von Rosa von Praunheim schon längst internalisiert, dass es diese gesellschaftliche Situation ist, die einen Teil von Gottes guten Geschöpfen ausgrenzt, kriminalisiert und zumindest moralisch abwertet, die pervers ist, aber was nützt es einem 15jährigen Jugendlichen, dies zu hören, in den Nöten seiner notwendigen Entwicklung zum auch sexuell selbstbestimmten Menschen?

(Ein kurzer Exkurs: Ich bin seit Jahren Fan der Krimis von Hakan Nesser. Nun hat er uns mit dem sechsten Gunnar Barbarotti-Fall – «Barbarotti und der schwermütige Busfahrer» – ein ganz selten edles, humor- und liebevolles, profanes Werk genau zu dem Thema geschenkt. Bitte lest/lesen Sie es, wenn Sie/Euch die Theorie ermüdet. Dass Albin und Anders geschlagene 25 Jahre verlieren müssen, Jahre voll zerstörter Hoffnungen, auch in pseudo-hetero-Beziehungen, bis sie einander endlich finden, das ist die von Praunheim als pervers bezeichnete Situation.)

Was sind denn nun die Gründe der Homophobie, die in ihrem brutalen Absolutheitsanspruch wirklich mit dem Anti-Semitismus verglichen werden kann? Ist es die Tatsache, wie beim zweiten Genannten, dass es um eine klare gesellschaftliche Minderheit geht, und sich die Mehrheiten gerne auf deren Kosten profilieren? Oder geht es um verletzte, ja gekränkte Macho-Hetero-Männlichkeit, was erklären könnte, dass der Hass gegen Schwule noch grösser als der gegen Lesben ist? Oder geht es wirklich um diesen unmöglichen Ansatz, Sexualität, die nicht der Fortpflanzung dient, als verwerflich zu bezeichnen? Oder geht es – was wohl das Übelste wäre – um eine intellektuelle Unfähigkeit, Pädophilie als eine schwer krankhafte Störung bei Hetero und Homos, und nämlich in ähnlich statistischer Zahl zu verstehen, und sie nur den Homosexuellen anzulasten?
(Oder – man verzeihe mir in aller Ernsthaftigkeit diese eine Bosheit – ist es der blanke Neid, dass es jenseits der starken Männer auch Beziehungen ohne Geschlechterdominanz, vorgegebenen Aufgabenverteilungen bei Küche, Windeln und Bankkonto und kompensierendem teuren Klunker- und PW-Kauf gibt?)

Heute nur Fragen, ohne irgendeinen Anspruch auf Unfehlbarkeit und Wahrheit. Die Diskussion ist eröffnet.

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4. August 2021 | 06:00
von Heinz Angehrn
Lesezeit: ca. 2 Min.
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3 Gedanken zu „Die Ursachen der Homophobie

  • Michael Bamberger sagt:

    Dass Religiosität Homophobie befeuert, ist statistisch belegt:

    “Eine 2011 im Berliner Journal für Soziologie veröffentlichte Mehrebenenanalyse in 79 Ländern ergab, dass religiöse Personen eine durchschnittlich negativere Einstellung zu Homosexualität und Homosexuellen haben als Atheisten. Dieser Effekt wird jedoch von der Religionszugehörigkeit moderiert. So sind z. B. Hindus weniger negativ gegenüber Homosexualität und Homosexuellen eingestellt als Katholiken.”

    “In einer empirischen Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Religiosität und verschiedenen Vorurteilen wurde im Jahr 2007 eine repräsentative Stichprobe von Deutschen nach ihrer selbsteingeschätzten Religiosität („sehr religiös“, „eher religiös“, „eher nicht religiös“, „überhaupt nicht religiös“) gefragt. Die überwiegende Zahl der Befragten gehörte der evangelischen oder katholischen Kirche an. Das Ergebnis der Untersuchung war, dass mit der Religiosität Homophobie deutlich zunahm.”

    Quelle: Wikipedia

  • karl stadler sagt:

    Ich meine, dass Herrn Bamberger zuzustimmen ist, dass es sehr wohl auch einen Zusammenhang, wenn auch keinen zwingenden, zwischen “Religiosität” und Homophobie geben kann.
    Wahrscheinlich stehe ich mit dieser Meinung etwas abseits. Aber nach meinem Dafürhalten sollten sich Religionen, und so auch die Kirche, aus der Sexualmoral völlig heraushalten. Ich glaube nicht, dass sich Spiritualität und einengende Sexualmoral wirklich miteinander vertragen. In der innerkirchlichen Debatte um sexuelle Orientierungen werden ja, neben andern, immer wieder die bekannten Stellen im Levitikus (18.20; 20.13) bemüht. Es hilft wahrscheinlich wenig, wenn versucht wird, mittels hermeneutischen Anstrengungen die damals ablehnende Haltung wegzudeuten und zu relativieren. Auch jüdische Autoren erblicken in diesen Stellen sehr wohl eine ablehnende Haltung in der damaligen Zeit. Anderseits wird es auch kaum weiterhelfen, wenn die Geschichte zwischen David und Jonathan als Stelle für eine offene biblische Haltung herangezogen wird. Es mag sehr wohl sein, dass diese Beziehung homoerotisch gefärbt war. Aber eigentlich sind doch alle diese Stellen nur empirische Belege dafür, dass es im alten Judentum sehr wohl auch Homosexualität gegeben hat, genau so wie sie wahrscheinlich in allen Kulturen anzutreffen war und ist, allerdings mit unterschiedlicher normativer Wertung.
    Ich glaube nicht, dass sich die Bibel, auch das NT, dafür eignet, den Menschen Leitlinien für eine Sexualmoral bereitzustellen. Im alten Griechenland zB. und im Hellenismus war man da viel offener, wenn auch nicht im heutigen Verständnis. In der griechischen Mythologie wählten sich manche Götter als Liebhaber junge Männer als Geliebte, wenn ihnen danach war. Die Stoa, eine philosophische Richtung im Hellenismus, die während rund sechshundert Jahren Einfluss ausübte, verhielt sich, soweit ich sehe, gegenüber sexuellen Orientierungen völlig neutral. Aber sie pflegte sehr wohl das ethische Ideal, sich von Leidenschaften so weit als möglich nicht beherrschen zu lassen. Eine ethische Anforderung, die den christlichen in nichts nachsteht! Bloss, unbeherrschte Leidenschaften betreffen, wie wir alle wissen, keineswegs ausschliesslich die Sexualität, und wenn, dann sind sie in hetero- genauso wie in homosexuellen Neigungen anzutreffen. Aber unbeherrschte Leidenschaften, gleich auf welchem Gebiet, haben das Potential, Unheil über die Menschheit zu bringen. Ein Allgemeinplatz, der auch den Stoikern nicht fremd war.

    Ich meine, dass ein wenig auch das Naturrechtsdenken mit eine Ursache sein könnte, dass Homophobie mancherorts noch nicht überwunden ist. Und dieses Naturrechtsdenken ist der christlichen Theologie ja nicht fremd. Es soll einem absoluten Rechtspositivismus überhaupt nicht das Wort geredet werden. Ohne Zweifel birgt er auch grosse Gefahren in sich. Aber dem rechtspositivistischen Denken liegt die Überzeugung inhärent, dass Rechts-, aber auch Moralsysteme letztlich zumeist kulturell-historisch bedingt, und damit in ihrer normativen Geltung kontingent sind. Sobald dieser Umstand aus den Augen verloren wird, kann es sehr wohl auch zu schlimmer Unterdrückung, Intoleranz und Diskriminierung kommen.

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