Die nächste grosse Internet-Anwendung

«Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.» Der berühmte Ausspruch stimmt natürlich auch für das Internet, egal ob er von Karl Valentin, Mark Twain, Winston Churchill, Niels Bohr, Kurt Tucholsky oder gar von den Chinesen stammt. Auf die Frage, was der nächste grosse Internet-Hype nach Social Media ist, antworte auch ich nur vage. Dabei habe ich – neben vielen Missgriffen – schon ein paar wirklich gute Prognosen verbreitet. Zwei Beispiele:
1981 waren wir in Fribourg eine der ersten Studenten-WGs mit einem eigenen Computer. Alle wollten ihn sehen und sich zeigen lassen, was wir damit machten. Allen prophezeiten wir, dass in wenigen Jahren in jedem Büro und sogar in jeder Wohnung eine solche Kiste stehen würde. Und alle belächelten uns.
Anfangs 2000 stellte ich in meinem ersten Referat für den Katholischen Mediendienst eine noch unbekannte Suchmaschine vor. Sie werde bald – so behauptete ich – das (damals noch von Hand gemachte!) Internet-Verzeichnis von Yahoo und die Suchmaschine AltaVista mit ihren komplexen logischen Suchverknüpfungen ablösen; Google biete nämlich einen revolutionären Ranking-Algorithmus, der beim blossen Aneinanderreihen von Begriffen brauchbare Resultate bringe.
Inzwischen ist die Entwicklung des Internet aus den Fugen geraten. Fast täglich buhlen neue Dienste um die Gunst von Mitgliedern. Viele probiere ich aus. Den Überblick über all meine Logins habe ich längst verloren. Das ganz grosse Neue scheint in meinen Augen noch nicht dabei zu sein. Scheint, denn ich bin ja nicht mehr der Jüngste, wie Sie den Beispielen oben unschwer entnehmen können. Aber zum Glück habe ich meine Söhne und von Zeit zu Zeit Kontakt mit Lernenden.
Deshalb wage ich eine Prognose. Der nächste grosse Hype bei den Jungen (oder vielleicht erst der übernächste) wird «Verweigerung» heissen. Er wird sich gegen die ständige Verfügbarkeit richten (always-on world nennt es IBM) und dagegen, dass ihnen die Erwachsenen die Social Media weggenommen haben.