Die Bibel ist auch ein Glücksratgeber
Das Thema Glück in der Bibel ist noch wenig erforscht. Einer hat dies zu seinem Steckenpferd gemacht: Der Theologe Daniel Maier hat Glücksvorstellungen im antiken Judentum und im Neuen Testament für seine Dissertation analysiert. Die Bibel sei einer der ältesten überlieferten Glücksratgeber, sagt er. Ein Glücksratgeber, der uns auch heute noch etwas zu sagen hat.
Was ist Glück? Und wie können wir es uns zu eigen machen? Diese Frage treibt unsere Gesellschaft um. Antworten dazu gibt es in dem uralten Buch, das am häufigsten gedruckt und in die meisten Sprachen übersetzt wurde, schreiben die «Luzerner Zeitung» und das «St. Galler Tagblatt». In eher unglücklichen Zeiten über das Glück nachzudenken, scheint nicht besonders naheliegend. Aber genau das ist die Arbeit von Daniel Maier: Der Theologe an der Universität Zürich geht davon aus, dass es gerade in Krisenzeiten wichtig ist, sich Gedanken zum guten und zufriedenen Leben zu machen. «Das ist kein Luxus, den wir uns leisten müssen, sondern ganz existenziell», sagt der 30-jährige und erinnert an das Beispiel des Apostels Paulus: Er hat in römischer Gefangenschaft Briefe verfasst, die Ausdruck von Freude und Hoffnung waren. Und dies, obwohl Paulus den Tod vor Augen hatte. Wiederholt zeigt sich im Neuen Testament, dass Glück durch Versöhnung ausgelöst wird. Ein Beispiel ist das Gleichnis des verlorenen Sohns. Obwohl er nicht zwingend eine erneute Aufnahme verdient hat, empfängt ihn sein Vater mit offenen Armen, lässt ein Fest ausrichten und ruft den ganzen Hausstand zur Freude auf. Die Geschichte zeigt, dass aus Vergebung grosses Glück resultieren kann.
Glück im NT noch fast unerforscht
Nur hat es bislang kaum Studien gegeben, die die Glücksvorstellungen im Buch der Bücher analysiert und untersucht haben. «Das Glück als Thema im Neuen Testament wurde von der Forschung nahe zu komplett ignoriert», sagt Daniel Maier m Magazin der Universität Zürich. «Im Protestantismus galt das Glück früher als nichts Erstrebenswertes – es war nicht vorgesehen, sein Leben daran auszurichten, weshalb sollte man als Forscher also danach fragen.» Daniel Maier hat das nun geändert und damit akademisches Neuland betreten.
Im Neuen Testament führt bei Paulus alles Streben und Glück auf Christus, sagt der Bibelforscher. Neue Perspektiven gibt es auch in den Glückseligpreisungen der berühmten Bergpredigt, in der Jesus von Nazareth seine Lehre verkündet. «Das Neue daran ist, dass sich die Rede und die Verheissung von Glück direkt an die Schwachen und Ausgestossenen in der Gesellschaft richten. In der Antike war dies keinesfalls selbstverständlich», sagt Daniel Maier, «die Bergpredigt ist eine fulminante Botschaft des Glücks für alle Menschengruppen – das macht sie so wirkungsmächtig.»
Glück auch im Alten Testament
Salomon war ein bedeutender König Israels. Er berichtet über seine Suche nach dem Glück. Für ihn war es ein längerer Weg, sagt Daniel Maier zur «Luzerner Zeitung»: «Zuerst hat Salomon das Glück in der Weisheit gesucht, weshalb er viel lernte und las. Danach ging er aus heutiger Sicht zu Sex, Drugs und Rock ›n’ Roll über und genoss die Freude des Weines und wechselnde Partnerinnen. Sein nächster Versuch war der Ausbau seiner Macht. Die Quintessenz der Beschreibung seines Lebens ist: Glück ist nichts von all dem.»
An Salomon zeige sich, dass es glücklich macht, mit lieben Menschen Zeit zu verbringen, dabei gutes Essen zu geniessen und dankbar dafür zu sein, was man hat. Diese Botschaft füllt heute in der Selbsthilfeabteilung der Buchhandlungen ganze Regale. Dabei steht dieses uralte Wissen bei den meisten Menschen schon zu Hause – in einem mindestens 2300 Jahre alten Buch innerhalb der Bibel.
Positive Psychologie bestätigt Bibel
Daniel Maier hat in seiner Freizeit mit Flüchtlingen über die Hoffnung in vermeintlich hoffnungslosen Situationen und das Glück diskutiert. «Der Gedanke, dass es weiter geht, dass Gott einen Weg für einen vorgesehen hat, hat ihnen Kraft gegeben», sagt er. Für seine Dissertation wurde er mit dem Manfred-Görg-Juniorpreis für religionsgeschichtliche Forschung und interreligiösen Dialog ausgezeichnet. In der Arbeit hat sich Daniel Maier wissenschaftlich mit Glücksvorstellungen im Neuen Testament befasst und deren Wurzeln im antiken Judentum untersucht. «Die biblischen Texte sind oft in für Leib und Leben bedrohlichen Situationen geschrieben worden», sagt der Forscher. Er sieht mit seinem auffälligen Rauschebart und kahlem Schädel selbst ein bisschen aus wie ein biblischer Prophet. Die biblischen Texte vertrauen darauf, dass Krisen nicht das Ende sind, sondern danach ein neues – ein anderes – Glück wartet.» Das sei auch heute noch eine frohe Botschaft.
Verschiedene Wege zum Glück
Daniel Maier hatte studienbegleitend eine Ausbildung in Positiver Psychologie absolviert. Diese setzt sich mit den positiven Seiten des Lebens auseinander wie Zufriedenheit und Optimismus oder eben mit dem Glück. Viele der biblischen Glücksvorstellungen, die Daniel Maier bei der Analyse der biblischen Texte entdeckt hat, decken sich mit den Erkenntnissen der Positiven Psychologie: In der Bibel seien Jahrhunderte der Menschheitserfahrung auf der Suche nach einem guten Leben mit Gott verarbeitet wurden. «Das sind Erfahrungen mit dem Alltäglichen und dem Göttlichen wie Freude und Dankbarkeit», so der Theologe, «da können wir sehr viel über uns Menschen und unsere fundamentalen Bedürfnisse lernen.» Deshalb sei die Bibel auch eine Schule des Glücks.
Pfannenfertige Rezepte für ein glückliches Leben wie in manchen heutigen Ratgebern sind in der Bibel allerdings nicht zu finden, räumt Daniel Maier ein, vielmehr eröffneten die Texte einen Reflexionsraum für eine individuelle Auseinandersetzung mit dem Thema. Sie bieten ganz unterschiedliche Identifikationsmöglichkeiten. «Wenn wir von einem Schöpfer ausgehen, so hat er uns offensichtlich unglaublich unterschiedlich geschaffen», sagt der Theologe. Und so findet man in der Bibel auch ganz verschiedene Wege zum Glück.
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