Kinderbibeln
Bettina Flick

Die Arche Noah: für Kinder ungeeignet?

Ein Bildungsabend für Grosseltern ist gewünscht: «Den Grosskindern biblische Geschichten erzählen».

Wir steigen mit einem Bilderbuch ein: «Warum Noah eine Arche baute» von Marlene Fritsch und Elli Bruder.

Und schon sind wir mitten im Thema. Unter den Grosseltern entsteht eine spannende Diskussion darum, ob die Geschichte von der Arche Noah kindgerecht sei oder nicht. «Wie können wir heute, in der Zeit von Hurrikans, Murgängen und Tsunamis den Kindern erzählen, dass Gott versprochen hat, er würde die Erde nicht mehr überfluten?» «Aber das sind doch unsere Erwachsenen-Fragen an den Text, Kinder denen doch nicht soweit!» wird entgegnet. «Kinder von heute bekommen doch schon ganz früh mit, was in den Nachrichten kommt! Unterschätze die heutigen Kinder nicht!»

Was die Kinder aufnehmen

Wir schauen uns die Sprache des Bilderbuches genauer an: Der Fokus ist ganz bei Noah. Nur ganz kurz wird erwähnt, dass Gott einen Neuanfang machen möchte, weil die Menschen sich selbst, den Tieren und Pflanze weh tun. Und in der Flut gehen Häuser unter, nirgends werden tote Menschen erwähnt.

Meine Kollegin hat das Bilderbuch auch mit ihren Kindern angeschaut. Diese (zwei- und vierjährig) haben die Geschichte gleich nachgespielt. Am Wichtigsten war es ihnen, dass alle Tiere gerettet werden. Und dass die Geschichte mit einem Fest endet.

Die Botschaft, die die Kinder aufgenommen haben: Gott hilft uns und den Tieren. Gott rettet alle. Gott feiert mit uns ein Fest.

Entwicklungspsychologie

Ein Input hilft uns, auch entwicklungspsychologisch zu verstehen, was da geschieht. Ein Kind nimmt eine Geschichte auf je nach Entwicklungsstand. Manche Aspekte einer Geschichte werden von Kindern in einem bestimmten Alter gar nicht wahrgenommen. Und es nimmt auch mit der Geschichte die Intention der erzählenden Person wahr. Wenn die Grossmutter den Enkel bei Schoggi-Stibitzen überrascht und mit ernstem Unterton meint: «Gott sieht alles!», wird damit ein anderes Gottesbild grundgelegt, wie wenn die Grossmutter diesen Satz mit einem Lächeln sagt, als das Kind ihm erzählt, es habe einen Regenwurm «gerettet».

Wenn wir die Schöpfungsgeschichte erzählen, wird es in einem bestimmten Alter für die Kinder wichtig sein, immer genau die einzelnen Ereignisse den einzelnen Schöpfungstagen zuzuordnen. Wir können dieses Wissen- und Begreifen-Wollen fördern, indem wir mit ihnen die einzelnen Tage durchgehen. Die Erschaffung der Welt in sieben Tagen wird von grösseren Kindern als ein Beispiel genommen, warum sie die Geschichten der Bibel als «Fantasie» abtun, schliesslich widerlegt die Naturwissenschaft ja die sieben Tage. Wir können aber auch bei einem Spaziergang mit ihnen über die Schönheit der Natur staunen und an Gott erinnern, der alles gut erschaffen hat. Dies kann zu einer Glaubensbasis führen, die in der Konfrontation mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen sich vertiefen kann.

Welche Geschichten erzählen?

So finden wir Kriterien für das Erzählen biblischer Geschichten. Sie sollen helfen,

  • Mehr Vertrauen in Gott zu entwickeln,
  • Das Schöne, das Gott uns schenkt, zu sehen,
  • Einen menschenfreundlichen, liebenden Gott kennenzulernen (nicht strafend, nachtragend, launisch)
  • Einen Gott zu entdecken, der jede und jeden von uns kennt und liebt ohne Bedingungen
  • Glaube und Alltag zu verbinden
  • Antworten zu finden auf Fragen nach Leiden und Tod.

Wieder kommen wir zur Arche-Noah-Geschichte zurück. Es ist nicht nur die Geschichte selbst, sondern auch die Art, wie sie erzählt wird. Wo wird der Schwerpunkt gelegt? Welches Gottesbild wird vermittelt?

Am Tag zuvor hatten die Religionslehrkräfte über den neuen Lehrplan für den Religionsunterricht im Kanton St Gallen diskutiert – und darüber, warum die Noah-Geschichte in der ersten Klasse angesiedelt ist. Es wurde sehr bedauert: Hat diese Geschichte doch das Potenzial, mit Kindern ab ca. 10 Jahren über das Böse in der Welt zu sprechen, mit ihnen zu überlegen, ob und wie Gott in unserer Welt eingreift und auch den Glauben daran zu stärken, dass das letzte Wort, das Gott spricht, ein Wort der Liebe ist.

Und welche Kinderbibeln?

Am Schluss des Abends stehen wir um einen Büchertisch herum, mit eigenen Kinderbibeln und ergänzenden Büchern aus einer Buchhandlung. Die «Gütersloher Kinderbibel» sei hier eigens erwähnt. Sie unternimmt den Versuch, neuere theologische Erkenntnisse, wie sie auch der «Bibel in gerechter Sprache» zugrundeliegen, kindgerecht zu vermitteln. Nah am biblischen Text, gut verständlich und theologisch aktuell.

Eine Grossmutter greift zur «grossen Herder Kinderbibel» von Anselm Grün und schlägt die Noah-Geschichte auf. Sie liest vor: «Und Gott bereute es, dass er den Menschen erschaffen hatte.» Sie schlägt die Bibel wieder zu. «Nein, einen Gott, der die Erschaffung der Menschen bereut, den möchte ich meinen Grosskindern nicht vermitteln! Da nehme ich wirklich lieber das Bilderbuch vom Beginn des Abends!»

 

Bildquellen

  • Kinderbibeln | © www.se-ma.ch: Bildrechte beim Autor
Kinderbibeln | © www.se-ma.ch
7. September 2017 | 09:23
von Bettina Flick
Lesezeit: ca. 3 Min.
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