Konzilsblogteam

Der tragischste Tag des Konzils

«Wir haben heute [25. November 1965] erlebt, was ohne Zweifel der tragischste Tag des Konzils war. Ich verwende das Wort tragisch. So hat [Christopher] Butler [Abtpräses der englischen Benediktinerkongregation] selbst gesprochen» (Pr 223). Albert Prignon, der Schreiber dieser Zeilen, referiert im Anschluss, was in der mit dem Thema Ehe beauftragten Unterkommission geschehen war.
Die Kommission machte sich an die Beratung der am Vortag eingetroffenen Modi. Diskutiert wurde nun aber primär deren formales Gewicht. Wieder einmal war in der Situation nicht wirklich klar, welchen Anteil der Papst selbst an diesen Modi hatte (vgl. Pr 219-222). Ein Konflikt entfachte sich an der Frage, was unter diesen Modi zu verstehen sei: Veränderungsvorschläge, die zur Diskussion gestellt werden, oder Anweisungen zur Veränderung.
Der Papstvertraute Colombo trat für die Meinung ein, es handle sich um einen «imperativen» Modus. Demgegenüber sei Bischof Charue wieder der Charue der grossen Tage geworden: «Monsieur ‹Njet›». Als solcher insistierte er, es seien Modi, die zur Diskussion gestellt würden; nichts weise darauf hin, dass es sich um eine Anweisung handle (vgl. Pr 223; Cha 290f). Kardinal Léger wies mit einem engagierten Votum auf die unerhörte Situation hin: Der Papst hatte das Thema Geburtenregelung dem Konzil entzogen und verlangte nun, dass eine diesbezügliche Position in den Konzilstext integriert würde, ohne dass das Konzil darüber hätte beraten können.
Auf verschiedene Weise nahmen alle Seiten Kontakt mit dem Papst auf. Am Folgetag wurde der Kommission mitgeteilt, es handle sich bei den Modi um «Ratschläge» des Papstes. Die Kommission konnte nun Wege suchen, diese auf eine zurückhaltendere Weise zu berücksichtigen. Immer noch blieb die Frage, wie man den Konzilsvätern die Veränderungen begründen sollte. Auch bei der Interpretation schieden sich die Geister in der Frage, welches Gewicht die entsprechenden Aussagen hätten. In der betreffenden Relation unterstrich der Relator Garrone, dass das Konzil die Frage der Geburtenregelung nicht habe entscheiden wollen.
Wie gravierend die Situation war, zeigte sich an der Überlegung mancher, dass es unter diesen Umständen besser sein könnte, gegen Gaudium et spes zu stimmen, um einen Skandal zu vermeiden (vgl. Pr 222.234). Das Kapitel über die Ehe erhielt bei der Teilabstimmung eine hohe Zahl von negativen Voten.
(emf; vgl. A 5,474-487)

25. November 2015 | 00:03
von Konzilsblogteam
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