Bruder Klaus und Gefährten

Der dreifache Schock vor Liestal

Klaus kam nicht sehr weit. Vor Liestal wurde er zur Umkehr bewegt. Wir sind darüber besser unterrichtet als über seine Pilgerpläne. Drei Ereignisse lösten bei ihm die Erkenntnis aus, dass er sich geirrt hatte und sich auf einem Umweg befand. Sein Jungendfreund Erny Rohrer und Pfarrer Heimo Amgrund, sein geistlicher Berater und Freund berichten übereinstimmend darüber.

Er sah die Stadt vor sich rot leuchten. Davon erschrocken, sei er sofort geflohen. Der Pilger sieht rot. Völlig verstört irrt er umher. Orientierungslos und ausgemergelt sucht er Zuflucht in der nächstbesten Behausung und klopft bei einem Bauern an. Ihm legt er stammelnd seine Not dar. «Dies gefiel aber dem Bauern gar nicht. Er riet ihm davon ab und meinte, er solle doch wieder nach Hause gehen und dort Gott dienen. Gott müsse dies auch besser gefallen, als wenn er fremden Leuten zur Last falle. Auch hätte er so mehr Ruhe, gerad auch deshalb, weil er ein Eidgenosse sei, denen nämlich nicht alle besonders freundlich gesinnt sein.»

Erny lässt durchblicken, dass Klaus bei diesem Bauern eine ziemlich kalte Dusche erlebt haben muss. Der Ruf der Eidgenossen war schlecht. Vom Bauern zurück in die Kälte geschickt, verbringt Klaus eine Nacht im Freien und erleidet den dritten Schock. Ein Lichtstrahl «öffnete seinen Bauch, wie wenn einer ihn mit dem Messer aufschlitzen würde.»

So unklar die Pläne des aufbrechenden Pilgers auch waren, der Drang zur Flucht muss immens gewesen sein. Als ob er kalte Füsse kriegte über seine eigene Entscheidung, mutet sein Aufbruch panisch an: nur weg von hier, es gibt kein Zurück. Wie klar hatte er jetzt Gott wirklich noch vor Augen? «Dein Wille geschehe…» murmelte er vor sich hin, tatsächlich aber verrannte er sich und vergass den Turm, den er doch im Ranft gesehen hatte als junger Mann.

Es bedurfte des dreifachen Liestaler Schocks in seiner brachialen Wucht, um der fixen Idee im Kopf des Berglers Klaus den Garaus zu machen. Der entscheidende Impuls kam ihm dabei vom mürrischen Bauern:

«Nie im Leben war Bruder Klaus ein so hilfloser Hörer wie in dieser äusserst kritischen Situation. Eine demütigendere Aufforderung zu Gehorsam kann es nicht geben. Gehorsam ist nicht Strammstehen vor jemandem, sondern Hören, Bereitschaft in persönlicher Freiheit und Verantwortung darauf einzugehen, was jemand sagt oder was die Stunde fordert. Gelegentlich ist derjenige, der nicht vom Fach ist, im Urteil realistischer als der Spezialist» (Gasser, 195).

Fr. Peter Spichtig op

Literatur:

Albert Gasser, Niklaus von Flüe und der mürrische Bauer von Liestal, in: Gröbli (2016), 190–196.

Sachsler Kirchenbuch 1488 (1997), 33 ff.

Alois Spichtig (1927-2014), Vision bei Liestal, Holzschnitt 1981 (Scan: Peter Spichtig)
18. Oktober 2017 | 09:56
von Bruder Klaus und Gefährten
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