Karin Reinmüller

«Dein Wille geschehe» – vielleicht lieber doch nicht...

Immer mal wieder raten mir wohlmeinende Mitmenschen, ich solle, wenn ich Gott um etwas bitte, ein «Dein Wille geschehe»  in der einen oder anderen Form hinzufügen. Dieser Satz steht prominent im Vaterunser und ist bekannt vom Chef selbst – als Jesus in Gethsemane seine Verhaftung und Hinrichtung ahnt, betet er nicht etwa (jedenfalls nicht nur) «Hol mich hier raus!» sondern eben auch «nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen».

Womit er mich in nicht unerhebliche Schwierigkeiten bringt. Denn wenn ich Gott um etwas bitte, das mir wirklich wichtig ist, dann sicher nicht verbunden mit der Ansage «Aber wenn du einen anderen Plan hast, dann mach ruhig, wie du willst». So etwas funktioniert hervorragend, wenn ich für Anliegen bete, die mich nicht wirklich betreffen, da kann ich grosszügig sein. Aber nicht, wenn ich etwas notwendig brauche.

Zum Glück hat die Bibel auch andere Vorstellungen vom Gebet parat, und gleich in grösserer Anzahl: Abraham verhandelt recht erfolgreich (wenn auch nicht endgültig, aber das ist nicht seine Verantwortung) mit Gott (Gen. 18), Hiskija weigert sich, «loszulassen» und zu sterben (Jes. 38),  eine namenlose Ausländerin setzt sich gegen Jesus durch (Mk. 7), und Jesus selbst erzählt das Gleichnis (Lk 18) von einer Witwe, die einen rücksichtlosen Richter (anders als in der frommen Darstellung oben) so beeindruckend angeht, dass der ihr aus Angst, sie könnte ihm ein blaues Auge schlagen, ihr Recht gibt. Wofür Jesus sie ein Vorbild im Gebet nennt. Ganz ohne «Dein Wille geschehe».

Zum Glück ist die Bibel oft ziemlich wenig eindeutig – sondern so verschieden, dass sie ganz unterschiedlichen Menschen und Situationen gerecht werden kann. Sogar mir, die ich beim Vaterunser an der bewussten Stelle immer ein bisschen vorsichtiger bete.

So brav ist die Witwe in der Bibel nicht... Bild: wikimedia commons, public domain
6. Dezember 2018 | 16:17
von Karin Reinmüller
Teilen Sie diesen Artikel!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst diese HTML-Tags und -Attribute verwenden:

<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.