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Das Ende der sozialen Netzwerke

Die Kritik an sozialen Netzwerken reisst nicht ab. So sozial die Idee hinter Facebook und Co., die bereitgestellten Inhalte werden zunehmend uninteressant. Der soziale Austausch ist längst dem Massenmedium gewichen. Die Algorithmen, die darüber entscheiden, welche Inhalte wir sehen dürfen, werden immer mehr dem Profit geopfert und nutzen die Schwächen der Nutzerinnen und Nutzer aus.
Eine Bestandsaufnahme.

Die morgendliche Routine ist immer gleich. Im Büro angekommen wird der Laptop gestartet, erste E-Mails gesichtet und Facebook geöffnet. Was man dort zu sehen bekommt, hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Von der ursprünglichen Idee, Menschen miteinander zu verbinden und eine offene und vernetzte Welt zu schaffen, ist nicht mehr viel übrig. Der Algorithmus sorgt dafür, dass uns nervige Werbung und Inhalte von «Influencern» angezeigt werden. Sind Profite den Konzernen also wichtiger, als das Wohl der Nutzerinnen und Nutzer?

Facebook weiß schon lange, dass seine Entscheidungen, um den Profit zu maximieren, Menschen weh tut

Frances Haugen

Frances Haugen (39) legt den Finger in die Wunde. Die US-amerikanische Informatikerin und Whistleblowerin arbeitete zwischen 2018 und 2021 als leitende Produktentwicklerin bei Facebook. Sie sollte dafür sorgen, dass Falschinformationen eingedämmt und Methoden entwickelt werden, mit denen man besser auf Gewaltaufrufe und Hassrede reagieren konnte. Doch schnell sei sie desillusioniert gewesen, sagt sie im Interview mit NDR, WDR und «Süddeutscher Zeitung» (SZ). Facebook kenne diese Probleme genau, so Haugen. Beim Abwegen zwischen Nutzerinteressen und Profit entscheide sich das Unternehmen zunehmend zugunsten der Bilanzen.

Das Problem Algorithmus

Ein weiterer Kritikpunkt: Facebook fokussiere sein Maschinelles Lernen zu stark auf populäre Sprachen wie Englisch oder Spanisch und zu wenig auf Dialekte und Sprachen von Minderheiten. Hassrede könne so viel schwerer als solche identifiziert werden. Der Algorithmus von Facebook ist darauf ausgelegt, Inhalte, die viel Interaktionen versprechen, in den Vordergrund zu stellen. Viel zu häufig, so Haugen, seien das Inhalte, die eher negative Gefühle auslösen, z.B. Videobeiträge von Selbstverletzungen.

Bei Instagram geht es darum, Lebensentwürfe und Körper zu vergleichen.

Frances Haugen

Besonders stark kritisiert Haugen die Facebook-Tochter Instagram. Deren Algorithmus sei so ausgerichtet, die Schwächen der Nutzerinnen und Nutzer auszunutzen. Das klappt besonders gut bei jungen Menschen. Facebook wisse um die Gefahren und tue dennoch zu wenig, um diese einzudämmen.

Gefährlicher Trend TikTok

Gleiches gilt für TikTok. Der riesige Hype um die chinesische App geht einher mit massiver Kritik am Algorithmus und dem Umgang mit hochsensiblen Daten.

Das ist TikTok:
Auf TikTok können Nutzerinnen und Nutzer kurze Videos erstellen, mit Filtern und Effekten verfremden und zusätzlich mit Musik unterlegen.

Wenn Kinder und Jugendliche in den sozialen Netzwerken aktiv sind, kommen sie unweigerlich mit Inhalten in Berührung, die für sie ungeeignet und problematisch sind. Es wird gefährlich, wenn der Algorithmus den Feed mit Inhalten flutet, in denen junge Menschen Videos über Depressionen, Selbstverletzungen und Suizid produzieren. Es werden psychische Probleme angesprochen und Narben von Verletzungen gezeigt, die man sich zugefügt hat. Solche, teils millionenfach angeklickten Videos, werden unter einem eigenen Subgenre kategorisiert (»Pain-Tok», also «Schmerz-Tok»). Der chinesischen Firma ByteDance, die TikTok vertreibt, sind die Probleme und die daraus resultierenden Gefahren bekannt. Trotz der Ankündigung, etwas dagegen zu tun, besteht das Problem weiterhin, wie ein Experiment von BR Data und PULS Reportage zeigt.

Artikel erst lesen und dann teilen

Doch was kann man tun, um die sozialen Netzwerke ein klein wenig besser zu machen? Frances Haugen regt an, dass Nutzerinnen und Nutzer aufgefordert werden sollen, Inhalte erst zu lesen, bevor sie diese teilen. Das würde die Verbreitung von Falschinformationen bereits um zehn bis 15 Prozent senken (positives Beispiel hier: Twitter). Ein weiterer Vorschlag: mehr natürliche Personen die Inhalte durchleuchten lassen, statt auf künstliche Intelligenz zu vertrauen. Man müsse sich dann aber auch um diese Personen kümmern, da sie nicht selten an posttraumatischen Belastungsstörungen leiden.

Ihren ethischen Pflichten kommen soziale Netzwerke nicht nach. Sie belügen und betrügen sich selbst, statt aufzustehen und sich zum Wohle ihrer Nutzerinnen und Nutzer zu transformieren, ohne Rücksicht auf eigene Interesse und Profite. Eine schöne Welt, von der wir immer weiter entfernt sind.

Sie möchten mehr erfahren über Chancen und Gefahren sozialer Netzwerke? Sprechen Sie mit unseren Experten von Kirche kommuniziert, der Beratungsdienstleistung des katholischen Medienzentrums.

Bildquellen

Gefahr soziale Netzwerke? | shutterstock.com myboys.me
2. September 2022 | 11:02
von Kirche kommuniziert
Lesezeit: ca. 3 Min.
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