Bruder Klaus und Gefährten

Bundesfeier: Bruder Klaus sticht Tell aus

Bundesfeier: Bruder Klaus sticht Tell aus

Es ist würdig und recht, dass wir einen Bundesfeiertag haben. Und vielleicht ist es kein Schaden, dass sich die Gründungsgeschichte der Eidgenossenschaft im Nebelflor nur mehr erahnen lässt. Die Unsicherheit den mythischen Erzählungen gegenüber kann und soll zu kritischerem, freierem und nicht minder inspiriertem Umgang unserer Identität beitragen, als es die Geistige Landesverteidigung zuliess, deren Erbe noch immer nachwirkt.

Das Freiheitspathos hat seine Unschuld längst eingebüsst. Tell steht heute für den eigenbrötlerischen Bergler und «Outlaw»; zur politischen Identitätsstiftung taugt er nicht.

Interessant ist, dass die Bürgler «ihrem» Freiheitshelden Tell schon 1588 nicht mehr so ganz trauten. Als sie an Stelle seines mutmasslichen Wohnhauses die Tellskapelle bauten, schmückte unterhalb der Patrone Mauritius, Rochus und Sebastian nicht nur ihr Held die Stirnfront. Auch Bruder Klaus wurde auf gleicher Höhe hingemalt. Von ihm geht das Spruchband aus, das die Kapelle in ihrer Bedeutung gleichsam eicht:

«Frid ist in Got, du solt in als Geschänck empfan –

sagt br. Claus von Ranft der selig man

Dann die nur Fryheit wysen – verlierent die Sinn;

darumb Eydgnosschaft stell dich auf Friden in» (Meier, 304).

Die Friedensvermittlung zu Stans (1481) steht da im Hintergrund, und der Brief an den Rat von Bern (1482) scheint auch breit rezipiert worden zu sein: Frieden ist nicht gemeiniglich herstellbar. Er ist Gnade.

Was also feiern wir am 1. August? Die Geschichte der Eidgenossenschaft ist kein irenisches Märchen; kein Jahrhundert, in dem sie sich nicht gegenseitig die Köpfe eingeschlagen hätten!

Als historisch integre Figur, die für die «weichen Werte» einstand behält Niklaus von Flüe moralische Autorität und taugt als «Landesvater» prospektiv in eine Zukunft hinein, in der unser kleines Land wohl besser daran täte, sich beherzter auf die ihm mehr zugeschobene als frei gewählte (junge) Rolle der Guten Dienste und der Humanität zu besinnen.

Wir sind immerhin Erben eines kostbaren Pfundes, womit wir – so selbstbewusst wie -kritisch – wuchern sollten: die föderalistische Subsidiaritätsdemokratie. Der Einfluss der politischen Ethik Niklaus von Flües und seiner Autorität auf sie ist nicht zu unterschätzen.

Auch und gerade der säkulare Staat lebt von Voraussetzungen, die er sich selbst nicht zu geben vermag (W. Böckenförde). Höchstes Gut eines Gemeinwesens ist der Friede. Dieser gründet in einer Kultur der Kommunikation auf Augenhöhe, mit Bruder Klaus formuliert: im gegenseitigen Gehorsam. Einander gehorsam sein: das wäre zugleich ein solides Freiheitskonzept! Es impliziert die gegenseitige Anerkennung der Menschenwürde; eine reife Diskursethik unter Mündigen also, fussend auf einem christlichen Menschenbild, das seine Kraft aus der Taufe bezieht.

Fr. Peter Spichtig op

 

Literatur:

Meier Pirmin: Tells Freiheit und Bruder Klausens Friede, in Gröbli (2016), 292–307.

Bernhard Rothen: Brief an die Berner Ratsherren: «Von Liebe wegen», in: Gröbli (2016), 197–202.

Tellskapelle in Bürglen (UR). (Foto: Markus Britschgi, Luzern, aus: Britschgi, Ignaz (2008): Bruder Klaus. Bild und Geheimnis, 121)
2. August 2017 | 00:14
von Bruder Klaus und Gefährten
Lesezeit: ca. 2 Min.
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