Buddhistische Mönsche beten von Dhamek Stupa (500 BC), Sarnath im Indien
George Francis Xavier

Betest du?

Ein Freund von mir, der ein gescheitertes Leben lebt, begann mich zu kritisieren, weil ich nach seiner Ansicht nicht konventionell und zu wenig alle Glaubenstraditionen pflegen würde.  Nach all seinen Argumenten fragte ich ihn nur: «Betest du?». Er zählte auf, dass er regelmässig an der teilnehme, er zur Beichte ging, den Rosenkranz bete und das Fasten halte. Er berichtete NICHT von einem persönlichen Abendgebet oder von einem stillen Moment der Dankbarkeit. Er meint beim Mitmachen der Glaubenstraditionen genug zu beten.

Ich gab ihm weder Antwort noch weitere Erklärungen. Für mich selbst ist das ganz persönliche Gebet mehr als all dies Mitmachen. Mich selbst führen Eucharistie, Beichte, Fasten, usw., zum ganz persönlichen Gebet; am Abend, vor dem Essen, am Grab eines geliebten Menschen. Das Mitfeiern von Glaubenstraditionen helfen mir für mein ganz persönliches Gebet Worte zu suchen.

Eine andere Erzählung aus der Bibel berichtet: Jesus ging durch eine Menschenmenge. Plötzlich stockte er und sagte: «Jemand hat mich berührt». Petrus bekräftigt nur, in diesem Gedränge von Menschen, wer wird da nicht berührt? Eine Frau aus dem Gedränge bekannte dann gegenüber Jesus: «Ich war es». Auch dies ist nur ein Gleichnis. Aber es erzählt auch vom echten Gebet, von echter Rührung und um Ringen in Herzensanliegen.

Wir können in der Menge all der vielen Glaubenstraditionen und Aktivitäten, Eucharistiefeier, Rosenkranz, Beichte, Novene, Fasten usw. zwar stehen, aber uns dennoch noch nicht mit dem Herzen auf ein Zwiegespräch mit Gott dem Schöpfer oder mit Jesus einlassen. Der Papst hat in den letzten Wochen bedauert, dass viele Menschen einfach nur ein frommes Gesicht machen wie auf einem Heiligenbildchen. Aber jemand, der nicht einmal wagt, eine Kirche zu betreten – sei es im gemeinsamen Gottesdienst oder in einem Moment der Stille, wie soll er lernen in persönlichen Worten im Gebet auf Jesus zuzugehen, so wie diese Frau auf Jesus zuging um ihn zu berühren.

Buddhistische Mönsche beten von Dhamek Stupa (500 BC), Sarnath im Indien | © 2015, GFX Buddhistische Mönsche beten von Dhamek Stupa (500 BC), Sarnath im Indien | © 2015, GFX

Und was ist dieses Gebet? Ich habe gehört, dass das Gebet der Sauerstoff für unsere Seele ist. Aber ich glaube, Gebet muss wie Atmen sein. Wir spielen, wir arbeiten, wir tanzen, wir essen, wir trinken, und wir tun alle Aktivitäten, aber mit oder ohne unser aktives Bewusstsein, atmen wir unser ganzes Leben durch den Tag und die Nacht. Das Gebet ist wie eine grundlegende Aktivität in unserem Leben, wir können auch beten, wenn wir alle anderen Aktivitäten tun. Wir brauchen keine besondere Zeit, um zu beten, genauso wenig wie wir sagen: «Jetzt ist es die Zeit um zu atmen». Es geschieht als Grundbedürfnis unseres Körpers. Das Gebet ist auch so, wie z.B. ein Kind für Vater und Mutter ist. Der Vater ist mit seiner Arbeit im Büro beschäftigt, sie arbeitet in der Küche – immer ist das Kind in ihren Herzen. Eine Mutter denkt immer wieder an ihr Kind, auch wenn das Kind in der Schule oder zu Hause ist, oder mit dem Papa etwas unternimmt oder mit der Tagesmutter ist. Unser Gebet soll ein Teil unseres Lebens werden, das Gebet wird zum freien Formulieren von Herzensanliegen und kann zum Herzensgebet werden. Im Gebet öffnen wir das Herz um uns von Gott berühren zu lassen und um auf ihn mit unseren Nöten zuzugehen.

In Indien, viele Menschen kommen in unser Kloster nur um mit uns Brüdern zu sprechen. Die meiste Zeit geht es um ihre Armut, um Hunger, um das Geld für die Ausbildung ihres Kindes. Es war immer ein sehr schmerzlicher Moment für mich, alle Beschwerden zu hören ohne materielle Hilfe leisten zu können. Mit Traurigkeit und Schmerz, frage ich nur, «was kann ich für Sie tun?». Sie sagen nur, bitte leg meine Anliegen in deinem Gebet vor Gott, erinnere Gott an mich!

Während unseres Gebets im Wesemlin, beziehen wir regelmässig die Gebetsanliegen in unser Klostergebet ein, die von Kirchenbesuchern im Fürbittbuch eingetragen werden. Ich staune, mit welchem Gott-Vertrauen und Glauben, diese Gebete geschrieben sind

Es ist wie das Gebet des Moses. Immer wenn seine Hände hoch im Gebet erhoben wurden, gewann Josua die Schlacht. Als seine Hände heruntersackten, fängt er an zu verlieren.

Betrachten wir jene Menschen, die um unsere Klostergebete bitten, uns die Anliegen ins Fürbittenbuch schreiben. Sie stehen in einer Schlacht des Lebens, ob klein oder gross, aber sie vertrauen darauf, dass unsere Hände im Gebet erhoben sind, unsere Herzen im Gebet an Gott erhoben sind. Sie vertrauen und brauchen die sie stärkenden Gebete.

Lassen Wir uns unsere Herzen öffnen, um das Gebet zu verstehen und zu erleben, nicht als eine besondere Auszeit genommen, sondern verinnerlichte Atmung, als Teil unseres ganzen Lebens, Tag und Nacht. Amen.

 

Buddhistische Mönsche beten von Dhamek Stupa (500 BC), Sarnath im Indien | © 2015, GFX
15. Oktober 2016 | 13:59
von George Francis Xavier
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