Philip Steiner

Beständigkeit

Als ich vor gut drei Monaten für den engsten Verwandten- und Freundeskreis meine neue Wohnadresse in den Vereinigten Staaten bekannt gab, erhielt ich von einer befreundeten Nonne eine interessante Rückmeldung. Sie äusserte darin ihre Verwunderung, wie ich als Benediktiner, der eben in der Feierlichen Profess Beständigkeit versprochen hatte, so kurz darauf für längere Zeit nach Amerika gehen könne! Natürlich schrieb sie mir dies mit einem Augenzwinkern, aber ich konnte diesen «Angriff» auf mein Gelübde nicht auf mir sitzen lassen.
Ich schrieb ihr umgehend zurück und erklärte ihr, dass ich neben der Berufung zum klösterlichen Leben die Berufung zum Priestertum verspüre und dass die Priesterausbildung neben den vier Studienjahren in Einsiedeln halt auch ein Auslandjahr beinhaltet, welches man nach der Feierlichen Profess absolviert. Ein traditioneller Studienort für die Einsiedler Fratres ist das 1854 von Einsiedler Mönchen gegründete Kloster St. Meinrad in den USA, dem ein grosses Priesterseminar angeschlossen ist. Zudem verlange besonders die heutige Zeit mit ihren vielfältigen Herausforderungen eine solide und zeitgemässe Ausbildung für den kirchlichen Dienst.
Reicht das aber als Begründung? Nein! Es ist nicht nur die akademische Notwendigkeit, die einen längeren Studienaufenthalt ausserhalb des eigenen Klosters legitimiert. Das typisch benediktinische Gelübde der Beständigkeit (lat. stabilitas) hat neben der klassischen Deutung als Ortsbeständigkeit einen tieferen Sinn. Es ist das Feststehen in der klösterlichen Berufung, die nichts anderes ist als die Freundschaft mit Jesus Christus. Und diese Freundschaft ist beständig (stabil), weil sie nicht nur von mir abhängt, sondern von der Liebe Gottes getragen wird.
Auch wenn ich deshalb nicht unter akutem Heimweh leide: Ich freue mich sehr auf das Wiedersehen mit meinen Mitbrüdern und das Leben im Kloster Einsiedeln. Denn dort finde ich jene Menschen, die ich in den vergangenen fünf Jahren lieb gewonnen habe und ein Umfeld und eine Liturgie, in denen ich mich wohl fühle. Das trägt und schenkt Heimat.
fr. Philipp
 

27. Oktober 2012 | 15:26
von Philip Steiner
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