Bernd Hagenkord SJ,  Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan
Kirche kommuniziert

Bernd Hagenkord: «Wir denken noch zu sehr in gedruckten Texten»

Der digitale Wandel macht an der Kirche nicht halt. Kommunikationsmittel verändern sich, die Sprache auch. Für Bernd Hagenkord, Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan, bieten die neuen Medien aber auch die Möglichkeit, ein neues Publikum zu erreichen und ganz neue Zugänge zu entwickeln. Und Christus so neu zu entdecken.

Bernd Hagenkord: Welche Kommunikationskanäle nutzt der Vatikan, um die Gläubigen zu erreichen?

Bernd Hagenkord: Eigentlich alle, die sich uns bieten, allerdings und leider immer etwas verspätet. Als das Radio neu war, hat Papst Pius XI. einen Radiosender gegründet, damit fing es an. Wir haben Zeitung, Bewegtbild, Facebook, Internet, Fotos, Instagram, Twitter, und vergessen wir nicht Bücher, Predigten, Enzykliken und all das andere. Es gibt keinen Kanal, den wir nicht probieren wollen. Vielleicht geht das nicht so schnell, wie andere das können, aber wir werden das schon schaffen.

«Der Papst ist erstaunlich offen gegenüber neuen Medien.»

Der Papst unterhält mit @pontifex einen eigenen Twitter-Kanal. Wie aufgeschlossen ist er gegenüber den neuen Medien?

Twitter-Profil von Papst Franziskus | © Printscreen

Hagenkord: Für einen Mann seiner Generation ist er erstaunlich offen dafür. Er wurde einmal gefragt, ob es ihn nicht nerve, wenn alle jungen Menschen ihm den Rücken zukehren würden, um ein Selfie zu machen, statt mit ihm selber zu sprechen. Das sei nicht seine Welt, antwortete der Papst, aber so sei das eben, er respektiere diese neue Welt. Das soll wohl heissen, dass er die innere Freiheit hat, alles zu nutzen, was sich bietet, ohne dass er selber vielleicht genau wüsste, wie das geht.

Jugendliche und junge Erwachsene nutzen vermehrt Snapchat und Instagram – Auch Orte, wo die Kirche präsent sein muss?

Hagenkord: Ja. Mehr braucht man dazu eigentlich gar nicht sagen. Ausser vielleicht: Das ist nicht nur Aufgabe «der Kirche», wenn wir damit Kommunikationsabteilungen und Pressesprecher meinen. Das ist auch Aufgabe der Gläubigen. Wenn wir den Glauben weitergeben und ihn leben wollen, dann auch da, wo wir sonst unterwegs sind. Der Glaube ist nichts, was sich auf das Anschlagbrett hinten in der Kirche reduzieren lässt.

Wo sehen Sie die Herausforderungen kirchlicher Institutionen bei der Digitalisierung?

Hagenkord: Wir denken noch zu sehr in gedruckten Texten, am besten noch mit Fussnoten. Und wir verkennen, dass die Digitalisierung nicht von Aufklärung, sondern von knallharten Wirtschaftsinteressen grosser Firmen betrieben wird. Zweitens werden wir – und nicht nur wir – auf diese Weise von der Entwicklung abgehängt. Das sind die beiden Strassengräben, die es zu vermeiden gilt.

 

 

Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind keine «digital natives» und haben einerseits Vorbehalte gegenüber neuen Techniken und andererseits auch Angst um ihren Arbeitsplatz. Braucht die Kirche im Zuge der Digitalisierung andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

Hagenkord: Nein. Die neuen Entwicklungen um uns herum werden ja auch von Menschen getragen, die gestern noch ganz was anderes gemacht haben. Die meisten Dinge kann man lernen, das ist Handwerk. Nehmen wir den Beruf des Journalisten: Früher haben wir nur Texte geschrieben oder Sendungen gemacht. Jetzt müssen wir allerlei über Tags und Suchmaschinenoptimierung lernen, wir werden also auch gleichzeitig noch zu Verkäufern unserer Geschichten. Das ist neu. Aber das kann man lernen.

Welche Chancen bieten die neuen Kommunikationsmittel den kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?

Hagenkord: Sie schaffen ein ganz neues Publikum, ganz neue Zugänge. Und sie schaffen neue Weisen, von Jesus zu sprechen. Formen, die es bislang noch gar nicht gab. Nehmen wir das Beispiel Vatikan: Unsere Leute müssen eine neue Sprache lernen, wenn man das so sagen darf. Bei Facebook kann man nicht so sprechen, wie man das früher in 30 Minuten Interviews gemacht hat. Aber so erreicht man auf einmal ganz andere Menschen. Junge Menschen, andere Milieus. Zumindest gibt es die Chance dazu.

«Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee.»

Neuerdings ist zu hören, dass es möglicherweise einen Trend zur Verschmelzung von virtuellen und realen Gemeinschaften gibt. Eröffnen sich damit gegebenenfalls neue Handlungsmöglichkeiten für die Kirche?

Hagenkord: Was das genau bedeuten wird, weiss keiner so genau. Meistens lässt sich das auch gar nicht vorhersehen, geschweige denn planen. Wir müssen genau aufpassen, was passiert, neue Dinge lernen, keine Angst haben, auch mal einen Fehler zu machen. Ich glaube, so lässt sich einigermassen gelassen in Richtung Zukunft blicken.

Ohne altmodisch erscheinen zu wollen, möchte ich den Papst zitieren: Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee. Oder anders: Nichts geht über eine echte Begegnung. Wenn wir uns dem anderen Menschen, dem Gegenüber, nicht mehr ganz aussetzen, sondern nur noch die Facebook-Profile beurteilen, dann geht irgendwann die Gemeinschaft ein, wenn sie überhaupt entsteht. Medien muss man nutzen, gut nutzen, gerne nutzen, aber sie bleiben das, was sie sind: Medien. Sie ersetzen die echte Begegnung nicht.

Bernd Hagenkord SJ, Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan | © Bernd Hagenkord
4. Dezember 2017 | 14:55
von Kirche kommuniziert
Lesezeit: ca. 3 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!