Philip Steiner

Alltägliches

Seit Weihnachten geniesse ich einige ruhige Tage in St. Meinrad. Nach dem Abschluss des wohl anstrengendsten Semesters meines Lebens und der Rückkehr aus Washington DC habe ich diese Verschnaufpause wirklich nötig! Die Zeit zwischen den Gebetszeiten nutze ich für das Verbessern meiner Englischkenntnisse (Aussprache und Grammatik) und für musische Aktivitäten – beides ist in letzter Zeit etwas zu kurz gekommen. Daneben bereite ich mich durch Lektüre auf den Stoff des nächsten Semesters vor.
Doch interessanten Stoff für einen Blog bietet das alles nicht! So mache ich aus der Not eine Tugend und schreibe etwas über den Alltag aus benediktinischer Sicht.
Die Wertschätzung des Alltags scheint eine benediktinische Tugend zu sein. Zwar ist benediktinisches Mönchtum offen für viele Apostolate wie Schule, Pfarreiseelsorge oder Wallfahrtsseelsorge, doch kreist benediktinsches Leben grundlegend um das gemeinsame Leben in einer Gemeinschaft, das geprägt ist vom Wechsel von Gebet, Arbeit und Lesung – schlicht und einfach: Alltag.
Es ist erstaunlich, mit welcher Sorgfalt der heilige Benedikt die alltäglichsten Dinge im Kloster regelt: Zeiten für das Schweigen, Verteilung der Psalmen für das gemeinsame Gebet, Bettzeug der Mönche, Umgang mit Werkzeug, Sorge für die Kranken, Mass der Speisen, Verhalten bei Fehlern, Kleidung und anderes mehr. Und immer wieder verweist der Heilige auf das Aufleuchten von Gottes Gegenwart im Nächsten: im Abt, im jungen Mitbruder, im Gast und sogar in jenem, von dem man nichts erwartet! Benedikt ist damit keineswegs ein Schwärmer, sondern er steht auf dem Grund des Evangeliums: «Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan» (Mt 25,40).
Der heilige Benedikt macht das Kloster zu einer Schule der Achtsamkeit. In einem achtsamen Blick auf die alltäglichen Dinge werden diese auf Gott hin transparent. So gesehen ist der Alltag im Kloster alles andere als banal oder langweilig. Tag für Tag begeben sich Mönche und Nonnen auf die spannende Suche nach Gott, der sich finden lässt!
fr. Philipp
Zum Bild: Ein gutes Beispiel für die benediktinische Wertschätzung des Alltäglichen ist das Refektorium, der Speisesaal der Mönche. Seine besondere Funktion kommt in den Klöstern auch architektonisch zum Ausdruck – wenn auch sehr verschieden: Während in Einsiedeln das Refektorium parallel zum Chor der Klosterkirche liegt und Wandmalereien besitzt, ist das Refektorium in St. Meinrad rund und inmitten des Klostergevierts.
 

5. Januar 2013 | 15:31
von Philip Steiner
Lesezeit: ca. 1 Min.
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