Walter Ludin

Aktuellste Neuerscheinungen über ...

2 Bücher – 2 sehr aktuelle Probleme

Michael Seewald: Reform. Dieselbe Kirche anders denken | Herder 2019 | ISBN/GTIN978-3-451-38349-6. | 147 S. | CHF 30.90

Ein persönliches Geständnis: Ich kenne niemanden, der sich eine grundlegende Reform der katholischen Kirche wünscht und von den Thesen nicht begeistert ist, die der jüngste Theologieprofessor des deutschen Sprachraums (Jg. 1987!) darlegt. Theologisch äusserst fundiert weist Michael Seewald in seinem neuen Herderbuch nach, dass die Kirche ihre Dogmen nicht nur in vielen Fällen revidieren darf, sondern sogar muss, um Jesus und seiner Botschaft treu zu bleiben. Es gelte, die «dogmatischen Selbstknebelungen» mutig zu korrigieren. Denn: Ihr «dogmatischer Rahmen, der sich selbst als alternativlos katholisch setzt», sei «bloss eine mögliche, historisch gewordene Gestalt des katholischen Glaubens, jedoch nicht die einzig mögliche.»

So weit, so gut. Doch es ist dem Rezensenten der NZZ leider zuzustimmen: «Seewald schreibt ein prickelndes Buch, für das man allerdings Interesse an den Finessen der Theologie benötigt.» Dies erinnert doch fatal an den Bruder des ebenso nicht ganz einfach schreibenden Theologen Karl Rahner. Wenn er Zeit hätte, würde er seine Bücher ins Deutsche übersetzen. Soweit muss man hier nicht gehen. Doch es ist sehr wünschenswert, dass der Verlag den Autor dazu bewegt, beim Schreiben auch an Nicht-Fachtheologen zu denken.

Zitate:

Die anti-autoritären Konservativen

«Auch diejenigen, die viel und gern von Autorität sprechen, haben nun ihre anti-autoritäre Seite entdeckt. Sie folgen dem Papst solange, wie er das Glück hat, auf ihrer Seite zu stehen.»

Michael Seewald: Reformen.  Dieselbe Kirche anders denken. S. 120

Amtsträger: arm oder männlich?

«Die Verbindung von Amt und Armut – so könnte man argumentieren – liegt biblisch auf der Hand, hat über die längsten Epochen der Christentumsgeschichte aber nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Die Verbindung von Amt und Geschlecht hingegen ist kein Thema neutestamentlicher Theologie, wurde aber vor allem in den letzten Jahrzehnten zu einem zentralen Pfeiler katholischer Amtstheologie ausgebaut.»

Michael Seewald: Reformen.  Dieselbe Kirche anders denken. S. 47


utopia/Franz Grieser: Meine Reise nach utopia. Das Journal für ein nachhaltiges Leben | oekom-Verlag 2019 | ISBN/GTIN978-3-96238-126-4. | 220 S. | CHF 37.90

«Lesen Sie wieder einmal ein Buch. Die meisten wurden dafür geschrieben.» So lautet der Werbespruch einer Bibliothek. Er trifft nicht ganz auf das vorliegende Umweltbuch zu. Es gibt zwar darin einiges zu lesen. Aber die Hälfte der Seiten sind fast leer.

Für jede Woche im Jahr gibt es in den unterschiedlichsten Bereichen ganz konkrete Anregungen für ein bewusstes und nachhaltiges Leben. Auf den folgenden Doppelseiten gibt es jeweils Platz für sich entsprechende Vorsätze zu formulieren – und dann am Ende der Woche, sich Rechenschaft darüber abzulegen, was daraus geworden ist.

Somit ist das originelle Buch eine Hilfe für alle, die über Umweltschutz nicht nur reden, sondern etwas dafür tun wollen. Darum stimmt es: Es ist nicht in erster Linie zum Lesen da; aber als Impulsgeber für kleine, aber wirksame alltägliche Aktionen.

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22. November 2019 | 11:45
von Walter Ludin
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Ein Gedanke zu „Aktuellste Neuerscheinungen über …

  • Karl stadler sagt:

    “…dass die Kirche ihre Dogmen nicht nur in vielen Fällen revidieren darf, sondern revidieren muss…” Ich glaube nie und nimmer, dass dies ein Ansatz für die Lösung künftiger Fragen und Probleme sein wird. Halten wir uns doch vor Augen, was der Begriff “dogma” letztlich denn beinhaltet oder beinhalten kann: Quasi ein Lehrsatz, zumindest jedenfalls eine definitionsbestimmte Aussage mit normativem Anspruch, eine Proposition als Wahrheit festzulegen. Selbst wenn die Kirche, bzw. dessen Lehramt oder eine Synode in Gestalt eines Konzils bei diesem Vorgehen auf eine “göttliche Offenbarung” rekurriert, ist die Aussage von Herrn Seewald doch eher trivial, dass es sich bei der Festsetzung eines Dogmas um einen kontingenten historischen Prozess oder ein zufälliges Ereignis handelt. Gerade das frühe Christentum ist ja ein sehr beredtes Beispiel für dieses Phänomen. Äusserst interessant in diesem Zusammenhang übrigens die Wandlung des Kirchenlehrers Augustinus von einem Sympathisanten des Manichäismus zum Christentum.
    Jetzt einmal ganz abgesehen vom Wahrheitsbegriff, wie er in der Philosophie sehr vielfältig, aber auch zum Teil äusserst kontrovers, abgehandelt wird, scheint mir persönlich doch das Grundproblem zu sein, dass das Christentum und damit auch die Kirche überhaupt in Anspruch nimmt, tortz aller kultur- und identiätsstiftender Funktion, welche die Wirkung eines derartigen normativen Vorgehens zeitigen kann – dass gilt natürlich auch für andere Religionen – einen Rahmen mit normativem Wahrheitsanspruch zu setzen, innerhalb welchem die Gläubigen ihre Lebensform zu wählen und zu gestalten haben. Von Bedeutung ist nach meiner Meinung nur in sehr untergeordneter Weise, ob es sich um “konservative” oder “fortschrittlich-progressive” Anschauungen handelt. Viel problematischer, und vor allem zermürbender erscheint es, wenn durch Dogmen bestimmte Lebensformen und Anschauungen überhaupt jemals zu Wahrheit beanspsruchenden Anforderungen an die Menschen erhoben werden, wohl wissend, dass sie letztlich immer in einer kontingent-historischen Entwicklung, sei dieser gesellschaftspolitisch oder rein geistesgeschichtlich beeinflusst, wurzeln.
    Auch in den zutiefst religiösen Anschauungen und Sehnsüchten ist, so empfinde ich es wenigstens, immer auch sehr viel Irrationales, Emotionales und wahrscheinlich gerade sehr viel Beängstigendes angesichts dieser alles durchdringenden Zufälligkeit, die im Grunde das gesamte menschliche Leben beherrscht, enthalten. Umso grösser ist die Gefahr, dass die Sprache, die ja in der Theologie eine nicht mindere Rolle zu spielen scheint als in andern Disziplinen, oftmals von etwas handelt und sich inhaltlich normativ-weltanschaulich äussert, aber eigentlich dennoch nichts aussagt, weil sich darüber schlicht nichts sagen lässt. Diesbezüglich wären vielleicht philosophische Autoren wie Jaspers oder Wittgenstein, obwohl in verschiedenen Traditionen stehend, gar nicht so sehr von einem schweren Irrtum behaftet.
    Und vielleicht setzt man sich mit solchen Zweifeln auch nicht zwingend einem gänzlich unverbindlichen und orientierungslosen Relativismus aus, wie Benedikt in seinen Schriften manchmal befürchtet.

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