Markus Baumgartner

Agnostiker baut erste Autobahnkirche

Kirchenbauten sind rar geworden. Die einstige Königsdisziplin der Architektur musste anderen Aufgaben wie Museen oder Sportstadien Platz machen. Nun soll in der Schweiz die erste Autobahnkirche in Andeer GR zu stehen kommen. Bauen will sie das renommierte Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron. Das Gotteshaus soll auch Atheisten zur Einkehr einladen. 

Im Gegensatz zum benachbarten Ausland – in Deutschland gibt es 46 – kennt die Schweiz keine christlichen Autobahnkirchen. Die erste soll nun ausgerechnet von einem Agnostiker gebaut werden: «Überrascht und erfreut» zeigte sich Jacques Herzog vom renommierten Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron über die Anfrage aus Andeer – und stimmte zu. Für ihn sei der Bau «eine seiner momentan grössten Herausforderungen als Architekt», sagte er zur Zeitung «Die Südostschweiz». Denn es gebe keine Vorgaben für einen solchen Bau. «Ich musste alles recherchieren und mir (….) selbst klar werden, was für mich, der ich ja selbst kein gläubiger Menschen bin, eine Kapelle überhaupt sein kann», sagte er zur «Basler Zeitung» und weiter: «Mir ist klar geworden, dass ich einen Raum schaffen wollte, wo Gläubige und Ungläubige eine besondere Erfahrung machen könnten.» 

«Nicht religiös»

Selbst sei er nicht religiös, erkläre er der «NZZ am Sonntag»: «Zumindest nicht in dem Sinn, dass ich die Rituale meiner protestantischen Erziehung pflege.» Jacques Herzog weiter im Interview: «Alte Kirchenräume haben zwar noch immer eine starke Ausstrahlung, eine Kapelle von heute muss aber anders konzipiert sein, um die Menschen zu erreichen. Es geht nicht nur um Glauben, sondern zunächst einmal um die Wahrnehmung des eigenen Daseins.»

Die erste Schweizer Autobahnkirche in Graubünden soll gut sichtbar auf einem an die A13 angrenzenden Hügel in Andeer GR ihren Platz haben. Erreicht werden soll sie nach einem kurzen Spaziergang. Hinter dem Projekt steht die Interessengemeinschaft (IG) Autobahnkirche Andeer-Val Schons. Sie erhofft sich von diesem aussergewöhnlichen Vorhaben eine raschere Verbesserung der Anschlusssituation. Die Autobahnkirche werde «konfessionell verortet» sein, nämlich mit einer klaren christlichen Ausrichtung, sagt Jens Köhre, reformierter Pfarrer in Andeer und Mitglied in der IG, gegenüber kath.ch. 

Neue Kirche ist nicht alltäglich

Die erste Visualisierung zeigt vier an die zehn Meter hohe Wände, die sich gegenseitig stützen wie ein Kartenhaus und Durchgänge ins himmeloffene Innere freilassen. Dort gibt es eine Wendeltreppe in die Tiefe, in dem der Verkehrslärm langsam abklingt. Es werden unterirdisch vier verschiedene Räume entstehen: So ein runder Raum mit Licht von oben, darin eine aufgeschlagene Bibel. Dann ein Raum mit Kerzen zur Andacht und ein Raum mit einem Anliegenbuch, um Gedanken zu platzieren. Die beiden Landeskirchen des Kantons unterstützen das Bauprojekt ideell, tragen es aber finanziell nicht mit. Cornelia Camichel-Bromeis, Vize-Kirchenpräsidentin und Dekanin der reformierten Kirche, lobte die «Hartnäckigkeit und Vision» der Interessengemeinschaft. Denn heutzutage eine Kirche zu bauen, sei nicht alltäglich. Bischof Peter Bürcher betonte: «Ob wir es wissen oder nicht, ob wir daran denken oder nicht, ist Gott immer mit uns überall unterwegs! Bei der A13 wird uns die neue Autobahnkirche daran erinnern! Gott sei Dank!»

Visualisierung: Herzog & de Meuron
2. März 2020 | 15:22
von Markus Baumgartner
Lesezeit: ca. 2 Min.
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