Unter einen Hut
Anna Di Paolo

Neulich – Nachbarn und ihre Sorgen oder der Wille, das Unmögliche zu wagen

Neulich wurde mein Mann gefragt, ob ich ihm davon gelaufen sei?
Weil man mich nicht mehr auf der hinteren Terrasse sehe?

Neulich wurde meine Tochter gefragt, ob ich denn krank sei?
Weil man mich nicht mehr sehe, ums Haus herum?

Neulich wurde ich gefragt, ob das überhaupt gehe, Familie, Beruf und ein Studium unter einen Hut zu bringen?

Ja, das Studium hat unsere kleine Welt verändert. Viele liebgewonnene Angewohnheiten wurden aufgehoben und durch neue ersetzt und meine Töchter finden es cool, dass ihre Mutter noch einmal die Schulbank drückt.

Nein, ich bin dem Mann nicht davongelaufen. Anstatt unter der Beobachtung fürsorglicher Nachbarn auf der hinteren Terrasse zu bügeln, sitze ich an meinem kleinen Studierpult und versuche mich in konzentrierter Lektüre komplexer Texte aus dem Bereich der Theologie und Philosophie oder widme mich der lateinischen Sprache.

Nein, ich bin nicht krank. Anstatt meine Pflichten als Familienfrau in gemütlicherem Tempo zu erledigen, sieht man mich nur noch huschen, hetzen und eilen, damit mir genügend Zeit für die Kinder nach der Schule bleibt, sie bei ihren Hausaufgaben zu unterstützen, sie zu ihren Musik-, Tanz- und Ballettstunden zu fahren.

Nein, es geht eigentlich nicht, Familie, Beruf und Studium unter einen Hut zu bringen. Es ist unmöglich in den drei Bereichen gut zu sein, ohne dass die anderen beiden leiden. Diesen Ausgleich schaffen mir mein Mann und meine Töchter. Indem mein Mann stoisch den nicht geführten Haushalt hinnimmt und in Notfällen souverän übernimmt. Indem meine Töchter bereit sind, gewisse Bedürfnisse von «jetzt sofort» auf dann, wenn die Mutter eine Lernpause macht zu verschieben. Indem mich alle meine Liebsten immer und immer wieder motivieren und unterstützen.

Von Anfang an, war es mir bei den Entscheidungen die nötig waren um an die Uni gehen zu können wichtig, dass auch die Aufgabe des Studiums Thema bleiben darf.

Neulich war ich soweit. Die Fakten mochten oberflächlich betrachtet für die Aufgabe des Studiums gesprochen haben. Intensive Gespräche mit meinen Unterstützern und lange Gebete führten mich wiederum zu einer Entscheidung.

Neulich entschied ich also, dass das Ende noch nicht gekommen ist, dass mich die fürsorglichen Nachbarn noch weiter vermissen müssen, dass ich weiter das unmögliche versuchen werde. Mit meiner Familie, mit meinen Kommilitoninnen und mit Gott.

Bildquellen

  • Unter einen Hut |© Di Paolo, Anna: Bildrechte beim Autor
Unter einen Hut |© Di Paolo, Anna
10. Juli 2016 | 12:39
von Anna Di Paolo
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