Mein papierloses Büro
Erich Schweizer

Papierloses Büro 3.0

Vergessen Sie Ihre Ausreden!

Wie viele Bäume «frisst» Ihr Drucker? Das fragt das Viadesk-Blog. Einen Anhaltspunkt liefert es gleich selber: Ein Baum produziert 8 335 Seiten Papier. Wer pro Arbeitstag 37 Seiten ausdruckt, verfüttert seinem Drucker einen ganzen Baum pro Jahr.

Der Papierverbrauch ist zwar in Europa seit 2010 wieder rückläufig. Trotzdem war er im Jahr 2012 noch rund 30 % höher als 1991, vor dem Computerzeitalter (Quelle).

Dieser Papierverschleiss ist in gleichem Mass ökologisch und ökonomisch unsinnig. Das ist uns bewusst – Ökologie, Erhaltung der Schöpfung, Schonung der Ressourcen oder wie wir es gerade nennen. Deshalb finden wir immer wieder die gleichen Ausreden für unser verwerfliches Tun.

«Ich drucke nur aus, was unbedingt notwendig ist»

Das behaupten die meisten. Und doch stapeln sich in den Büros und zuhause Berge von Papier. Der (leichte) Rückgang des Papierverbrauchs in den letzten paar Jahren steht jedenfalls in keinem Verhältnis zur Omnipräsenz von Bildschirmen. Warum vertrauen wir dem flüchtigen Papier mehr als der virtuellen Anzeige auf dem Bildschirm? Das muss mit unseren Urinstinkten zusammenhängen, die wir doch so gerne ablegen möchten. Wir sind eben immer noch die alten Jäger und Sammlerinnen!

«Ich bedrucke auch die Rückseite von einseitig beschriebenen Blättern»

Das klingt ganz ökologisch und wird auch immer wieder propagiert. Nur: Mit diesem Verhalten machen Sie deutlich, dass Sie das, was Sie drucken, gar nicht zu verwenden gedenken. Warum drucken Sie es dann aus?

«Ich sehe am Bildschirm die eigenen Fehler nicht»

Diese Ausrede konnte man gelten lassen, als die Bildschirme noch verschwommene hellgrüne Zeichen vor dunkelgrünem Hintergrund zeigten und als die Darstellung auf dem Monitor in keinem Zusammenhang stand mit dem formatierten Resultat. Heute aber sehen wir gestochen scharfe Zeichen am Bildschirm im endgültigen Layout.

Wenn Sie Fehler auf Papier besser zu erkennen glauben als auf einem Bildschirm, hat dies nur damit zu tun, dass Sie den gleichen Text in einem andern Kontext sehen. Dazu müssen Sie ihn aber nicht ausdrucken. Ändern Sie die Schriftart für die zweite Korrektur am Bildschirm oder die Schriftgrösse oder den Zoomfaktor. So betrachten Sie den Text aus einem andern Blickwinkel und sehen auch die Fehler, die Sie nur auf Papier zu sehen meinten.

Die Akzeptanz von Displays scheint übrigens eine Altersfrage zu sein: Schon 42 Prozent der 14- bis 29-jährigen Deutschen geben an, dass es ihnen gleichgültig ist, ob sie von Papier oder von einem Bildschirm ablesen (Quelle).

«Ich brauche Stift und Papier zum Schreiben»

Das ist nicht nur ökologisch bedenklich, sondern auch (arbeits)ökonomisch! Sind Sie im Bummelstreik? Sie machen die gleiche Arbeit doppelt, zuerst auf Papier und dann am Bildschirm. Seien Sie bloss froh, dass ich nicht Ihr Chef bin!

«Ich verliere die Übersicht bei all den elektronischen Dokumenten»

Gestern hatte ich eine Besprechung mit Nora. Besprechung? Die Bezeichnung ist ziemlich euphemistisch. Die meiste Zeit suchte sie in ihren farbigen Papiermäppchen (die mit dem Sichtfenster) nach dem richtigen Dokument oder war damit beschäftigt, das eher aleatorisch gefundene Dokument wieder in das richtige Mäppchen einzuordnen. Eine Volltextsuche gibt es da halt nicht …

«Ich habe Angst vor Datenverlust»

Sie haben alles ausgedruckt, was Ihnen wichtig ist, damit Sie es ja nicht verlieren. Sie haben Dutzende Ordner damit vollgestopft. Nun gibt Ihr Computer den Geist auf. Wie um alles in der Welt wollen Sie Tausende von Papierdokumenten wieder in den Computer bringen? Wollen Sie das alles abtippen oder einscannen und korrigieren (lassen)? Hätten Sie die Daten doch lieber elektronisch besser gesichert, beispielsweise auf einem externen Speichermedium!

«Ich spare Strom mit Papier»

Ein Gegenargument muss ich mir gefallen lassen, wenn ich mit meinem Ultrabook an einer Sitzung teilnehme: Im Gegensatz zu denen, die pausenlos in ihren Papieren blättern, verbrauche ich Strom, um meine Dokumente auf den Bildschirm zu zaubern.

Aber dann frage ich mich, ob alle andern Teilnehmenden ihre wuchtigen Bürocomputer ausgeschaltet haben, bevor sie an die Sitzung gekommen sind, oder ob ihre opulenten Bildschirmschoner in der Zwischenzeit nicht mehr Strom verbraten als mein bescheidener Tragbarer. Ich überlege, warum man sich auf die Papiere beschränken soll, die man zu tragen vermag, wenn man doch in elektronischer Form immer alles dabei haben kann. Ich versuche zu beurteilen, ob das schwere Papier eine hinreichende Ausrede ist, auch diesmal mit dem Auto zur Sitzung gefahren zu sein und nicht mit dem öffentlichen Verkehr …

Jedenfalls sehe ich unserem Umzug nach Zürich West im Herbst 2015 ganz ruhig entgegen: Ich nehme meinen tragbaren Computer unter den Arm, stöpsle ihn im neuen Büro wieder ein und arbeite weiter.

Und nun hoffe ich inständig, dass mir kein Tippfehler entgangen ist, auch wenn ich meinen Text vor der Publikation nicht ausgedruckt habe.

Mein papierloses Büro | © Erich Schweizer
7. Juli 2014 | 08:36
von Erich Schweizer
Lesezeit: ca. 3 Min.
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