Karin Reinmüller

Ein Kloster, das keines ist

«Ein evangelisches Kloster in Zürich» heisst es auf der Webseite des Stadtklosters – genau das Richtige für eine verhinderte Ordensfrau wie mich. «Stille mitten in der Stadt» wird angesagt. Das entspricht nicht ganz meinem Temperament, aber mal sehen.

Zumindest die Ortsangabe stimmt, als ich mich im August zum Probewohnen aufmache – Wiedikon liegt angenehm urban. Das Eintritts-Prozedere kommt mir bekannt vor, nur geht hier alles ein bisschen schneller als in offiziellen Ordensgemeinschaften. Ich bin nicht die erste Katholikin und Menschen in Partnerschaft sind willkommen – da also sowohl «evangelisch» als auch «Kloster» hier neu definiert werden hab ich Hoffnung für die von mir erwartete «Stille». Und die wird nicht enttäuscht – meine neuen Mitbewohner:innen stellen sich als teilweise ähnlich geräuschemissiv wie ich heraus. Im urbanen Kontext des 21. Jahrhunderts wird neu interpretiert. Bis jetzt habe ich genau eine Mahlzeit im Schweigen erlebt – nein, wir hatten uns nicht zerstritten, sondern wollten mal etwas monastischer sein.

Überhaupt, das Monastische – vor langer Zeit (in Stadtkloster-Dimensionen also wohl etwa vor einem halben Jahr) gab es Bestrebungen, die gemeinsam genutzten Räume allesamt mit lateinischen Namen zu bezeichnen, vielleicht in der Hoffnung, so liesse sich in einem 100 Jahre alten Pfarrhaus eine Stimmung wie im «Namen der Rose» erzeugen. Glücklicherweise sind diese Bestrebungen auf der To-do-Liste unserer regelmässigen Orga-Konferenzen so weit nach hinten gerutscht, dass sie wohl erst einige Generationen nach uns bearbeitet werden können.

Zurück zu meinen ersten Eindrücken: Für ein Haus, in dem vor kurzem noch zwei Personen lebten, treffe ich erstaunlich viele Menschen an. In den ersten Tagen tue ich mich schwer, meine Mitbewohner:innen von den Stadtkloster-Engagierten (die nicht mit uns wohnen, aber dazugehören) und diese wiederum von unseren Gästen (die von durchreisenden Studierenden bis zu Wohnunglosen reichen können) zu unterscheiden. Dass wir dazu mit Geflüchteten zusammenleben hilft uns dabei, es uns nicht zu gemütlich einzurichten auf unseren durchaus vorhandenen Sofas. In den nächsten Monaten werde ich hier aus meinem Leben im Stadtkloster berichten.

Blick aus meinem Zimmerfenster im Stadtkloster Bild: Karin Reinmüller
2. Februar 2023 | 13:07
von Karin Reinmüller
Lesezeit: ca. 1 Min.
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