Markus Baumgartner

Von der Karriereleiter zum Bettelorden

Vom gut bezahlten Kader­job zum Bettelorden: Was nach tiefem Fall klingt, war für Benno Zünd Bestimmung und der Weg zur Erfüllung. Heute lebt der 55-jährige Bruder Benno im Kapuzinerkloster Wil und steht dem Kloster als Guardian vor.

Benno Zünd hatte alles, was sich viele in dieser leistungs- und geld­orientierten Gesellschaft wünschen: Er verdiente gut, lebte mit seiner Freundin in einer schönen Wohnung und fuhr einen schicken BMW. Nebenher war er ein renommierter Ländlermusiker. Nach dem Studium an der Hoch­schule St. Gallen (HSG) konnte der gebürtige Oberthurgauer bei der damaligen Swissair ins Kader einsteigen und kletterte die Karriereleiter hoch bis zum Finanzcontroller, schreibt das «St. Galler Tagblatt». Doch wirklich glücklich war er nicht. Die Wirtschaftskrise in den 1990er Jahren hinterliess auch bei der einstigen Vorzeige-Airline ihre Spuren: Der Spar- und Arbeitsdruck stieg, viele Leute mussten entlassen werden. Das ging Benno Zünd nahe, er verlor die Freude an seiner Arbeit. Auch seine Gesundheit litt unter der schwierigen Situation. Obwohl er doch ursprünglich genau nach so einem Job Ausschau hielt, in dem er seine Stärken in Betriebswirtschaft und Informatik verbinden und bündeln konnte.

«Es hat mich gepackt»

Benno Zünd begann, sich existenzielle Fragen nach dem Sinn zu stellen. Fragen nach Werten, die weitergehen als ein Halb­jahresbudget und Bestand haben. «Was zählt im Leben wirklich? Was trägt mich durch all die Momente?» Über eine Bekannte seiner Mutter kam er in Kontakt mit ­einem Kapuziner, der von einer 30jährigen Mission auf Sumatra zurückgekehrt war – ein Leben, ausgerichtet auf das Evangelium. «Da hat es mich wieder gepackt», erzählt er dem St. Galler Tagblatt. Er berichtet von seiner Ministrantenzeit in Berg SG. «Der Pfarrer – ebenfalls ein Kapuziner – war ein feiner, fairer und bodenständiger Mensch. Ich bin immer gerne in die Kirche gegangen – suchte die Begegnung mit Christus.» Aber dereinst einer Bruderschaft beizu­treten, sei kein Thema gewesen. 

Kloster ist wichtig für die Stadt

Benno Zünds Weg sollte letztlich weg von der Swissair und der Wirtschaft führen – er verliess die Fluglinie vor dem Grounding im Herbst 2001. Auch seine Beziehung war zu Ende. Die Suche nach Frieden im Herzen wurde umso intensiver. Geld und Status wurden immer unwichtiger – ­dafür Gebete sowie Besuche im Kloster Appenzell. «Der innere Friede wurde mir zum höchsten Gut.» Ohne bewusst darauf hinzusteuern, näherte er sich mehr und mehr dem Wesen der Kapuziner an, dem einstigen Bettel­orden in der Nachfolge von Franz von Assisi. Bis er schliesslich ins Kloster eintrat – und gegenüber dem Orden Ehelosigkeit, Gehorsam und Armut gelobte. Die Stadtpräsidentin von Wil, Susanne Hartmann, rühmt das Kloster: «Wir haben ein ausgesprochen gutes Verhältnis. Das Kloster ist sehr wichtig für die Stadt, insbesondere für die Kirchgemeinde und die Spitalseelsorge.» Im Wiler Kloster leben derzeit 20 Männer. Damit ist es das grösste Kapuzinerkloster der Schweiz. «Ein Kloster ist ein Ort des Friedens und der Ruhe, aber nicht weltfremd», sagt Bruder Benno.

Herzlich, Markus Baumgartner

Bild zvG
6. Januar 2020 | 21:37
von Markus Baumgartner
Lesezeit: ca. 2 Min.
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