Die Heilige Familie ohne Romantik
(Predigt zum Sonntag der Heiligen Familie)
Ich muss gestehen: Ich war irritiert, als ich sah, dass heute das Fest der Heiligen Familie ist und ich darüber predigen muss. Denn auf der einen Seite wurde über die Familie von Nazareth schon so viel phantasiert und aus ihr eine verkitschte Familie-Idylle gemacht. Auf der andern Seite, was die Familien von heute betrifft, ist seit Jahrzehnten alles im Umbruch und die Lage sehr unübersichtlich und widersprüchlich.
In der Zeitschrift cogito, die von der Uni Luzern herausgegeben wird, las ich vor einigen Tagen den recht gescheiten Satz: «Neue familiäre Lebensformen und Technologien haben bestehende kulturelle, religiöse und rechtliche Vorstellungen sowie Normen auf den Prüfstand gestellt.»
Doch zuerst ein kurzer Blick auf Nazareth: Dort sehen wir bei einem unvernebelten Blick wenig Idyllisches: zuerst eine aussereheliche Schwangerschaft; dann die Geburt unter prekären Verhältnissen zwischen Ochs und Esel. Und schliesslich die Flucht nach Ägypten, wobei wir gerade in unsern Tagen fast täglich lesen und hören können, was dies an Ängsten und Entbehrungen bedeutet.
Und nun unsere heutigen Familien: Es werden an sie höchste Ansprüche gestellt: Während «draussen», in der Gesellschaft, das Leben immer mehr zu einem Konkurrenzkampf wurde, zu einem Aufenthalt im Haifischbecken, sollte das Familienleben alle Defizite wieder gut machen, zu einem warmen Paradies in einer kalten Welt werden.
Was soll ich nun vor diesem Hintergrund zum Thema Familie erzählen? Ich möchte realistisch bleiben – und doch nicht vergessen, dass es ein christliches Familien-Ideal gibt.
Zuerst zwei Fakten: Zuerst etwas, was den meisten von
uns nicht bewusst ist: Es gibt immer mehr Einzelkinder. Wenn zwei Einzelkinder
heiraten, deren Eltern bereits Einzelkinder sind, haben sie nach dem Tod ihrer
Eltern keinen einzigen Verwandten mehr: also keine Onkel, Tanten,
Cousins/Cousinen. Also keine Weihnachtsfeiern mehr im trauten familiären Kreis
Dann eine Wirklichkeit, die wir alle mehr oder weniger aus der Nähe kennen: Die Zerbrechlichkeit der Ehen. Es geht Ihnen wohl wie mir: Wenn wir alte Bekannte nach längerer Zeit treffen, wagen wir es kaum, nach dem Partner zu fragen. Kürzlich tat ich es trotzdem und fragte in Luzern eine Frau, die ich vor fast 30 Jahren getraut hatte, nach ihrem Mann. Ihre coole Antwort: «Du musst ihn selber fragen. Er lebt in Bern.» Uff!!
Es geht mir keineswegs darum, Menschen, deren Ehe zerbrochen ist, zu verurteilen. Immer wieder werden erschreckende Zahlen über die Ehescheidungen herumgeboten, etwa «Jede zweite Ehe wird geschieden.» Dann folgt oft eine Klagelied über die Zeiten, die so viel schlechter geworden sind. Doch wir müssen auch den gesellschaftlichen Wandel berücksichtigen: Vor wenigen Jahrhunderten wurde die durchschnittliche Ehe nach vielleicht 10 oder 20 Jahren «geschieden» («geschieden» in Anführungszeichen), weil der Tod die Ehe beendete: vielfach der Tod der Frau im Kindbett oder der Tod durch Seuchen wie Pest und Cholera.
Heute ist die Situation ganz anders: Wenn jemand mit 25 Jahren heiratet, dauert die Ehe gut und gern 50, 60 oder mehr Jahre. Das Risiko, dass man sich in dieser sehr langen Zeit auseinanderlebt, wird riesig. Darüber müsste man eigentlich eigene Predigten halten. —–
Ich stelle mir nun vor, dass Sie von meiner Predigt nicht bloss soziologische Analysen erwarten – die Sie ja grösstenteils schon kennen. Sondern so etwas wie ein Wort der Ermutigung für das Familienleben.
Mir fällt nichts Wichtigeres ein als das, was ich in meiner Weihnachtspredigt gesagt habe. Ich ging von einem Artikel in der deutschen kirchlichen Zeitschrift Publik-Forum aus, in dem der Sinn des Festes mit dem Wort «Respekt» zusammengefasst wird. Der Beitrag geht davon aus, dass die Weisen aus dem Morgenland dem einfachen Kind in der Krippe respektvoll begegnet sind: «Sie schenken ihm Wertschätzung und Aufmerksamkeit. Es ist Ehrfurcht vor jedem Menschenleben, sei es noch so erbärmlich und klein.»
Gerade hier finden wir das christliche Familien-Ideal, das ich vorhin kurz erwähnt habe. In jeder Phase des Familienlebens sind wir eingeladen, einander mit respektvoll zu begegnen:
- Das kleine, hilflose Kind mit Respekt zu behandeln.
- Den Partner, die Partnerin liebevoll anzusehen, auch wenn es nicht ein perfekter Traummann, eine vollkommene Traumfrau ist.
- Bis hin zum betagten Menschen, von dem es übrigens schon in der heutigen Lesung heisst, dass «sein Verstand abnimmt»; modern gesprochen, dass er dement wird.
Ganz zum Schluss: Alle, die dies tun, haben ebenso unsern Respekt verdient und unsern Dank.
(Hildisrieden Sa, 17.30; Rain So 10.00)
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Michael Bamberger sagt:
Zweiter Versuch:
Was Familienangelegenheiten anbelangt wird hier wieder mal akribisch zensuriert, insbesondere welche Bibelverse vom egozentrischen “lieben Jesuskind” so gar nicht ins ideologische Schema passen:
“So jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, auch dazu sein eigen Leben, der kann nicht mein Jünger sein.” (Luk 14:26)
Happy New Year
Walter Ludin sagt:
Wer auch eine kleine Ahnung von Bibel-Exegese hat, weiss, dass “hassen” hier nicht das meint, was zum Beispiel die AfD praktiziert; sondern am ehesten mit “hintanstellen” übersetzt wird. Also: Es geht darum, dass die Gläubigen anderer Prioritäten setzen …..
Michael Bamberger sagt:
Walter Ludin, sehen Sie sich doch bitte dies an:
https://auslegungssache.at/6812/wer-nicht-vater-und-mutter-und-frau-und-kinder-hasst-kann-nicht-mein-schueler-sein/