Markus Baumgartner

Experiment Schulrevolution

Die Schüler sollen die Schule als ihre empfinden: Die gd-Schule Bratsch im Oberwallis ist eine kleine Schule mit innovativem Konzept, welche sich an den neusten Erkenntnissen der Hirnforschung anlehnt. Die Schule wird wissenschaftlich und dokumentarfilmisch begleitet und erfreut sich an einem international breiten Interesse aus der Fachwelt.

Seit Sommer 2016 läuft das Schulerlebnis gd im 100-Seelen-Dorf Bratsch VS, wo das Schulhaus seit Jahren leer stand. Nicht Wissensvermittlung steht im Vordergrund, sondern die Förderung des Kindes mit seinen ureigenen Anlagen und Bedürfnissen. Die Schule ist als gemeinnütziger Verein aufgestellt. Sie ist staatlich bewilligt und kontrolliert. «Ich habe erfolgreiche, internationale Privatschulen sowie Erkenntnisse aus der Hirnforschung verglichen und sogenannte Erfolgsprinzipien für gelingendes Lernen mit Freude abgeleitet. Diese Prinzipien habe ich anhand meiner christlichen Werte geprüft, mit eigenen Überzeugungen ergänzt und daraus ein eigenes, neues Schulkonzept entwickelt», erklärt Schulleiter Damian Gsponer, 36, auf dem Lokalradio Rottu Oberwallis. Auch der «Waliser Bote», der Lokalsender Kanal 9 und Radio SRF berichteten ausführlich über das Projekt. Der ausgebildete Pädagoge, Lerntherapeut und Gastdozent an der Pädagogischen Hochschule Wallis war zuvor Schuldirektor der Regionalschule Leuk. Die Schule ist auf christlichen Werten aufgebaut und bekennt sich dazu, ist jedoch konfessionell unabhängig.

Ohne Prüfungen und Noten

Die gd-Schule arbeitet ohne Schulfächer und ohne Prüfungen und Noten bis zur Sekundarstufe, ohne klassischen Unterricht, ohne Stundenplan, ohne Belohnungs- und Bestrafungssysteme. Dafür mit einem ausgeklügelten Konzept, dessen erste Erfolge bereits aufhorchen lassen: Das Schulmodell ist trotz dem Schwerpunkt auf Sozialkompetenz hoch individualisiert. Die Begleitung der Kinder erfolgt ein Jahr über den Schulaustritt hinaus. Das Modell glänzt durch die Möglichkeit, in den ersten Jahren noch Kind sein zu dürfen und dann mit spielerischem Übergang an das Funktionieren der Gesellschaft sowie der Berufs- und Studienwelt herangeführt zu werden. Um dem Bewegungsdrang der Kinder gerecht zu werden, sollen sie so oft wie möglich aus dem Schulzimmer herausgenommen werden und die Welt mit allen Sinnen kennenlernen.

Kinder planen ihren Alltag

Die Kinder planen ihren Alltag selber mittels Tagesplänen. Sie arbeiten an ihrem eigenen Portfolio mit Projekten und Lernzielen. Die Pädagogen werden eher als Mentoren verstanden, die den Kinder helfen, ihre Projekte selbstständig zu entwickeln und Ziele selber zu erreichen. Die Eltern kommunizieren direkt untereinander. Es gibt keinen  Schultag ohne Elternmitwirkung – sei es fachliche Unterstützung in Projekten, Kochen oder das Einbringen von Ideen. So konnten schon Eltern als Maler, Schreiner, Designer, Informatiker oder Architekten mitwirken. Die Schule ist ein Vorreiter in der Digitalisierung und nutzt die technologischen Möglichkeiten: Jeder Schüler hat auf der digitalen Plattform sein eigenes Profil, in dem er seinen Tagesablauf, Projekte und persönlichen Lernfortschritt erfassen kann. Die Schule braucht dafür keine Schulbücher – jedoch die voll digitalisierte Onlineplattform HAZU, ein Oberwalliser StartUp, wo sowohl die Lehrpersonen die Lektionen bereitstellen, die Schulkinder ihre Workspaces bearbeiten, als auch die Eltern den Lernfortschritt mitverfolgen können.

Finalistin Schweizer Schulpreis

Die Echos sind gut: Damian Gsponer konnte die (damaligen) Walliser Nationalräte Viola Amherd und Roberto Schmidt ins Boot holen. Sie alle sitzen entweder im Stiftungsrat oder im Patronatskomitee. Der Walliser Nationalrat Thomas Egger sagt: «Etliche Bergdörfer sind mit sinkenden Schülerzahlen konfrontiert. Schulschliessungen scheinen unvermeidlich. Neue Lösungsansätze sind gefragt. Die Initianten des Schulprojektes in Bratsch gehen hier neue Wege und können damit Vorbild sein auch für andere Bergdörfer». Ständerat Beat Rieder ergänzt: «Ein konkretes Projekt zur Aufwertung eines Bergdorfes. Der pädagogische Ansatz, eingebaut in die gesamte Dorfentwicklung, zeigt bereits Wirkung. Dieses Schulprojekt wurde mit einfachen Mitteln aufgebaut und verdient eine breite Förderung. Die Schule Bratsch leistet hervorragende Arbeit.» Die gd-Schule Bratsch & Zermatt war Finalistin für den Schweizer Schulpreis 2017. Sie wird von Kinderärzten empfohlen und erzielt überdurchschnittliche Resultate bei Vergleichstests. 

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3. November 2019 | 19:50
von Markus Baumgartner
Lesezeit: ca. 2 Min.
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