Sicht auf Jerusalem
Celia Gomez

Protest gegen Trump in London

Ein chaotischer Start

«Free, free Palestine» ist ein Slogan, der an der School of Oriental and African Studies (SOAS) zu Hause ist. Die Universität und die Studierenden sind offensichtlich Pro-Palestine, auf dem Campus ist die palästinensische Flagge öfters anzutreffen und an der Students’ Union Bar wird für Bier aus der West Bank geworben. Nach Trumps Statement zu Jerusalem, formten die Studierenden einen Block um zu Fuss an den Protest an der US-amerikanischen Botschaft zu marschieren. Obwohl der Protest den ganzen Freitag in aller Munde war, formte sich letztendlich nur eine kleine, schlecht organisierte Gruppe. Einige wenige mit palästinensischer Abstammung, viele MuslimInnen, die ihre Solidarität zeigen und viele Studierende, die Israel als einen menschenrechtsverletzenden Terrorstaat sehen.

Trommelnd und schreiend – ab und zu von peinlich berührter Stille unterbrochen – marschierten die Studierenden zur Botschaft, wobei niemand den Weg genau wusste und der Zug daher mehrmals zum Konsultieren von Google Maps stehen blieb.

Tumult vor der Botschaft

An der Botschaft standen jedoch bereits hunderte Protestierende, gewappnet mit Transparenten und Flaggen – interessanterweise auch einige türkische Flaggen. Unter den Protestierenden waren alle Altersgruppen vertreten: Ältere Leute, die vielleicht selbst als Kinder die Staatsgründung Israels in Erinnerung haben; Eltern mit ihren Kleinkindern im Arm oder auf den Schultern, die Kleinen hatten bereits die Parolen gelernt; Teenagers, junge Mädchen mit perfektem Make-Up (viele mit Kopftuch, viele ohne) und junge Männer mit Keffiyeh.

Protest an der US-Botschaft | © Celia Gomez

Die Parolen waren die üblichen: «One, two, three, four, occupation no more», «Down, down Israel! Down down USA», «Trump, shame on you». Doch auch «Allahu Akbar» Rufe erklangen, besonders aus islamistischen Kreisen, die ebenfalls am Protest vertreten waren. «Friends of Al-Aqsa» war der Organisator des Protests, eine Gruppe, die sich gegen die Policy Israels stellt und den Hamas im Bereich «resistance» nahe steht. Auch das «Palestinian Forum für Britain» war Mit-Organisator, eine ähnlich Gruppe wie «Friend of Al-Asqa», die anscheinend in einem Treffen mit Hamas-Leaders verwickelt waren und extremistische Referenten organisieren.

Protest an der US-Botschaft | © Celia Gomez

Unter den SOAS-Studierenden kannte kaum jemand die Organisatoren. Eine Studentin aus dem Libanon meinte: «Ehrlich gesagt ist es mir egal, wer diesen Protest organisiert. Bei so wichtigen Ereignissen muss man einfach hingehen!». Ein palästinensischer Student äusserte gemischte Gefühle nach dem Protest: «Ich mag es nicht, wenn religiöse Parolen in einen politischen Protest verwickelt werden. Es wurden auch einige antisemitische Phrasen in arabischer Sprache gerufen. Das finde ich nicht gut, es geht um die Politik des Staates Israels und um Trump, nicht um Juden gegen Muslime». Er ist sich der politischen und religiösen Angliederung der Organisatoren bewusst, distanziert sich aber klar von islamistischen und antisemitischen Haltungen.

Unter den Protestierenden wurde auch eine Berühmtheit gesichtet: Bella Hadid. Das US-amerikanische Model mit palästinensischer Abstammung soll ganz in der Nähe auf einer Party gewesen sein, ihre Limousine blieb im Verkehr um den Protest stecken und Hadid soll für drei Minuten mit dem Protest mitgelaufen sein, bevor sie weiter fuhr.

Der Gegenprotest viel mickrig aus: Sechs Leute mit israelischen Flaggen standen auf der gegenüberliegenden Strasse und mussten mit Polizeischutz abgeschirmt werden. Fotos wurden nicht erlaubt.

Protestieren, aber wie?

Nach dem Protest schwirrten mir viele Fragen im Kopf herum: Wie wichtig ist es, wer der Organisator eines Protestes ist? Was, wenn die Protestierenden die feine Linie zwischen anti-Zionismus und Antisemitismus übertreten? Was, wenn politische und religiöse Ziele vermischt werden?

Mir selbst ist klar: Gegen gewisse politische Handlungen Israels muss protestiert werden. Die Besiedlung palästinensischer Gebiete muss aufhören. Doch wie die Ideale Lösung für Israel und Palästina aussieht, weiss ich nicht. Eines weiss ich jedoch: Es soll nicht um Religion gehen, selbst wenn Religion inzwischen zum integralen Aspekt des Konflikts geworden ist. Doch die Problematik auf zwei Parteien herunter zu brechen – MuslimInnen gegen Juden und Jüdinnen – ignoriert extrem viele Aspekte: Die palästinensischen ChristInnen; die Israelis, die sich gegen die Besetzung aussprechen; MuslimInnen, die gegen militante Gruppen wie Hamas sind; Juden und Jüdinnen, die den Staat Israel aus religiöser Überzeugung ablehnen und viele weitere Gruppen von Menschen, die vom Konflikt betroffen sind, aber in den grossen nationalistisch-religiösen Narrativen Israel-Judentum vs. Palästina-Islam untergehen.

Ich selbst ging auf den Protest aus einem berichterstatterischem Interesse und einer religionswissenschaftlicher Neugierde. Doch persönlich möchte ich mich nicht in einer solchen Masse wiederfinden. Mein Protest fällt im akademischen Bereich aus: Die Geschichte von Minderheiten im Israeli-Palästina-Konflikt studieren, um die grossen nationalistischen Narrativen zu brechen – dies ist ein Aspekt der SOAS, der mich extrem bereichert.

Sicht auf Jerusalem | © pixabay.com CC0
10. Dezember 2017 | 15:26
von Celia Gomez
Lesezeit: ca. 3 Min.
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